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5.8.4 Dekubitus

Zusatzinfo

Wissenswertes

Dekubitalulcera begleiten die Menschheit seit ihren Anfängen. Zuerst als Gangraena beschrieben, hergeleitet aus Gangraena per decubitum („faulige Wunde durch das Liegen“), stammt das Wort decubitum vom lateinischen decubare (sich niederlegen) ab. Mehr als 70 % der Ulcera gehören zum Schweregrad 1 und 2. Mit 28 % liegt der sakrale Dekubitus an der Spitze, gefolgt vom Fersendekubitus mit 23,6 %.

Fieber als Risikofaktor

Bereits 1 Grad Fieber kann das Motilitätsscore halbieren. Fieber gilt daher als ein wesentlicher Risikofaktor.

Für eine effiziente Routineprophylaxe stellt das zweistündliche Umbetten eine realistische Alternative dar, die eine hohe Effizienz von über 90 % garantiert. Diese Methode ist überall, sofort, auch auf einer normalen Matratze und ohne spezielle Hilfsmittel anwendbar (Seiler 2008).


Permanente Feuchttherapie

Sehr guter wundreinigender Effekt, heilungsförderndes Mikroklima mit schmerzstillender Wirkung. Okklusivverbände (Folien aus Aluminium oder Plastik) sowie lokale Applikation von Pudern, Salben, Desinfektionsmitteln oder Antibiotika schaden dem Heilungsprozess. Optimal: permanente Feuchthaltung mit Ringerscher Lösung getränktem Wundverband (z. B. als TenderWet active bereits gebrauchsfertig mit Ringerlösung getränkt).

Bei oberflächlichen Ulcera Grad 2 mit Tiefenausdehnung von < 2 mm genügt dünne fett- oder paraffinhaltige Gaze als Verband.


Aus pharmakologischer Sicht gibt es keine Arzneimittel, die zur Dekubitusprophylaxe geeignet sind (z. B. Franzbranntwein, Campherspiritus, Gerb-Farbstoffe wie Eichenrinde-Umschläge oder Desinfektionsmittel-Rivanol-Lösung, Merkurchrom-Lösung, Zink-Paste) (Brüggemann et al. 2001).


Pflegefehler

Als haftungsbegründende Unzulänglichkeiten sind folgende Sachverhalte aufgrund von Gerichtsurteilen anzusehen (Röhlig 1997):

  • Bei Risikopatienten ist die drohende Dekubitusgefahr nicht von Beginn an in den Patientenunterlagen vermerkt.
  • Aufzeichnungen der ersten Feststellung und/oder Verlaufsdokumentation eines Dekubitus fehlen.
  • Die durchgeführte Prophylaxe entspricht nicht dem anerkannten Stand der Wissenschaft.
  • Erforderliche Maßnahmen zur Prophylaxe sind nicht (durch eine Pflegefachkraft) geplant worden.
  • Durchgeführte Maßnahmen zur Prophylaxe sind nicht dokumentiert worden.
  • Die Dokumentation ist nicht zeitnah seitens des verantwortlich zeichnenden Mitarbeiters geführt worden.
  • Ein Abweichen von gültigen Pflegestandards ist im Einzelfall nicht nachvollziehbar begründet.
  • Informationen sind nicht zeitnah an den behandelnden Arzt weitergegeben worden.

Tabelle. Beobachtungen beim Dekubitus in Abhängigkeit vom Stadium (Heuwinkel-Otte et al. 2007)

Beobachtungen

Zusammenhänge erkennen

Reaktive Hyperämie, die normalerweise doppelt bis drei Viertel so lange auftritt, wie der Druck die Durchblutung des Areals gestört hat; sie verschwindet nach Druckentlastung

Nicht mit Druckgeschwür Stadium 1 verwechseln, bei dem Rötung dauerhaft bleibt

Persistierende, umschriebene Hautrötung bei intakter Haut. Weitere klinische Zeichen: Ödembildung, Verhärtung und lokale Überwärmung

Dekubitusstadium 1

Teilverlust der Haut. Epidermis bis Anteile der Dermis (Korium) sind geschädigt. Druckschaden ist oberflächlich und kann sich als Blase, Hautabschürfung oder flaches Geschwür darstellen

Dekubitusstadium 2

Verlust aller Hautschichten und Schädigung oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die bis auf die darunter liegende Faszie reichen kann. Der Dekubitus zeigt sich als tiefes, offenes Geschwür

Dekubitusstadium 3

Verlust aller Hautschichten mit ausgedehnter Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder unterstützenden Strukturen (Sehnen, Gelenkkapsel)

Dekubitusstadium 4


 

Operative Maßnahmen beim Dekubitalulkus

Die Plastischen Chirurgen Drs.med. Rundic und PD Dragu zeigen in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt 2016 in einem CME-Beitrag die Indikationen und Techniken für die operative Versorgung von Dekubitalulzera auf.
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1781895

 

Abb. 11.9a,b. Druckverteilung auf der Hautoberfläche im Sitzen und Liegen. Die Werte der Isobaren sind in mmHg angegeben. a Vergleich zwischen der Druckverteilung bei einem übergewichtigen Mann (150 kg KG, links) und einer untergewichtigen Frau (45 kg KG, rechts). Die Dekubitusgefährdung ist bei der Frau höher als beim Mann, weil bei der Frau über den Prädilektionsstellen besonders hohe Druckspitzen gemessen werden. Beim Übergewichtigen wird der Druck gleichmäßiger verteilt. b Druckverteilung im Sitzen. (Links) die Beine hängen frei. (Rechts) Die Füße ruhen auf einer Wippe mit einem Kantengewicht von 12,5 kg. (Lindan et al. 1965)


Druckverteilung bei Dekubitusgefährdung
Druckverteilung auf der Hautoberfläche im Sitzen und Liegen. Die Werte der Isobaren sind in mmHg angegeben. a Vergleich zwischen der Druckverteilung bei einem übergewichtigen Mann (150 kg KG, links) und einer untergewichtigen Frau (45 kg KG, rechts). Die Dekubitusgefährdung ist bei der Frau höher als beim Mann, weil bei der Frau über den Prädilektionsstellen  besonders hohe Druckspitzen gemessen werden. Beim Übergewichtigen wird der Druck gleichmäßiger verteilt. b Druckverteilung im Sitzen. (Links) die Beine hängen frei. (Rechts) Die Füße ruhen auf einer Wippe mit einem Kantengewicht von 12,5 kg. (Lindan et al. 1965)

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