Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
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6.7.4 Hochdruckbehandlung

Zusatzinfo

Allgemeinmaßnahmen

  • Einstellen des Rauchens,
  • Senkung des Alkoholkonsums < 30 g/Tag für Männer, < 10 g/Tag für Frauen,
  • Abbau von Stress,
  • Gewichtsreduktion,
  • Kochsalzbegrenzung (unter 6 g/Tag),
  • Behandlung der Hyperlipidämie,
  • dynamische körperliche Belastung,
  • Überprüfung der Indikation für eine laufende Therapie mit NSAR, Steroiden, oralen Kontrazeptiva und Sexualhormonen in der Postmenopause,
  • konsequente Behandlung eines Diabetes mellitus.

Kochsalzsensitivität

Es wird angenommen, dass 20-30 % der deutschen Bevölkerung kochsalzempfindlich sind und bei genetischer Veranlagung im Lauf ihres Lebens einen Bluthochdruck entwickeln.

40 % der Hypertoniker reagieren auf gesteigerten Kochsalzkonsum mit einer Blutdrucksteigerung; zudem gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Kochsalzsensitivität. Praktisch alle über 65-jährigen Hypertoniker sind salzsensitiv. Der Anteil der salzsensitiven Frauen steigt nach der Menopause. Bei einem Verzehr von 10 g statt der von der WHO empfohlenen 5 g Salz/Tag erhöht sich einer Meta-Analyse zufolge – über die Steigerung des Blutdrucks – langfristig das Schlaganfallrisiko um fast ein Viertel.

Übergewicht

Zwischen Bluthochdruck und Übergewicht besteht ein enger Zusammenhang: Über die Hälfte der Männer und Frauen mit Übergewicht haben eine Hypertonie, bei den Adipösen sind es fast drei Viertel.

Alkoholkonsum

Zahlreiche Studien haben den Zusammenhang zwischen erhöhtem Alkoholkonsum und Auftreten einer Hypertonie gezeigt: Bis zu 30 % der Hypertoniefälle können auf Alkoholkonsum zurückgeführt werden (möglicherweise durch Veränderungen der hormonellen Steuerung und des Salzhaushaltes).

Bewegungsmangel

Bewegungsmangel ist eng mit der Entwicklung von Übergewicht und anderen kardiovaskulären Risikofaktoren verbunden und begünstigt die Entstehung einer Hypertonie. Das US-Center for Disease Control empfiehlt Erwachsenen derzeit mindestens eine halbe Stunde moderate körperliche Aktivität pro Tag.

Stress

Zusammenhänge zwischen beruflicher Belastung und Bluthochdruck konnten in einigen Studien nachgewiesen werden. Der Einfluss von chronisch negativem Stress auf die Hypertonie ist jedoch insgesamt bisher unzureichend untersucht.

Schlafapnoe

Zur Bedeutung der Schlafapnoe als Risikofaktor für die Hypertonie liegen bisher nur wenige Untersuchungen vor. Ein kausaler Zusammenhang wird aufgrund des Sauerstoffmangels vermutet.

Rauchen

Rauchen ist ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor, der zusammen mit Bluthochdruck und Hypercholesterinämie die Entwicklung der arteriellen Arteriosklerose fördert. Für den Herzinfarkt ist Rauchen der wichtigste Risikofaktor und für den Schlaganfall einer der drei wichtigsten Risikofaktoren. Eine einzige Zigarette steigert den Blutdruck für 20-30 min um 5-20 mmHg. Für die Entwicklung einer Hypertonie spielt das Rauchen keine ursächliche Rolle; es vermindert jedoch die Effektivität der antihypertensiven Arzneimitteltherapie.

Koffein und Tee

Koffein und Tee erhöhen den Blutdruck nur gering und kurzzeitig. Empfehlungen zur Vermeidung liegen bisher nicht vor.

Quellen: Robert-Koch-Institut (2008) Hypertonie. Heft 43;
Strazzullo P, D’Elia L, Kandala NB, Cappuccio FP (2009) Salt intake, stroke, and cardiovascular disease: meta-analysis of prospective studies. BMJ 339:b4567


Niere im Alter

Inzidenz und Prävalenz einer chronischen Niereninsuffizienz nehmen im Alter zu. Welche Therapieansätze gibt es für die Betroffenen? untersucht der Kölner Internist Dr. med. Paul Brinkkötter in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017). Dabei ist in der Diagnostik die Abschätzung der GFR der tatsächlichen Clearence- Bestimmung gleichwertig.
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/niere-altert-mit-1806829


Hochdruckbehandlung im Alter

Im Alter kommt es bei den meisten Menschen zu einem Anstieg des Blutdrucks. Die frühere Regel, wonach ein oberer systolischer Blutdruck von 100 plus Lebensalter normal ist, gilt schon lange nicht mehr. Es ist nicht nur erwiesen, dass ein hoher Blutdruck im Alter das Risiko erhöht, an Schlaganfall oder Herzerkrankungen zu sterben, auch der Nutzen einer medikamentösen Blutdrucksenkung ist durch Studien gut belegt.


Wie tief im Alter senken?

"Wer im Alter auf einen normalen Blutdruck achtet, lebt länger" (Prof.Dr. med. Bernhard Krämer, Mannheim 2017). Offen ist nur, bis zu welchem Wert der Blutdruck gesenkt werden sollte. Die aktuell gültigen, gemeinsamen Empfehlungen der European Society of HypertensionEuropean Society of CardiologyDeutschen Hochdruckliga(DHL) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie aus dem Jahr 2014 raten allen Menschen unter 80 Jahren mit einem systolischen Blutdruck von 160 mmHg oder höher zur Behandlung, wenn alle nichtmedikamentösen Maßnahmen keine Wirkung gezeigt haben. Dabei sollte ein Zielwertzwischen 140 bis 150 mmHg angestrebt werden. Sind die Patienten besonders leistungsfähig, können auch Werte unter 140 mmHg angestrebt werden. Zählen sie eher zur gebrechlichen Patientengruppe, wird der Blutdruck je nach individueller Verträglichkeit eingestellt. Auch für Personen über 80 Jahre gelten als Blutdruckziel zwischen 140 bis 150 mmHg; sofern sie in einem guten Allgemeinzustand sind.


Systolische Werte unter 140 mmHg?

Ob eine weitere Senkung vorteilhaft ist, wird seit Längerem diskutiert. Zwei größere Therapiestudien der letzten Jahre haben untersucht, ob eine Senkung des Blutdrucks auf den syst. Normalwert von jungen Menschen von 120 mmHg vorteilhaft wäre. Dies waren die ACCORD-Studie mit fast 5000 Diabetikern und die SPRINT-Studie an über 9000 Nichtdiabetikern. ACCORD und SPRINT kommen auf den ersten Blick zu konträren Ergebnissen: In der ACCORD-Studie war die aggressive Blutdrucksenkung ohne Vorteile. Die Einnahme der Medikamente schien den Patienten eher zu schaden, die SPRINT-Studie wurde dagegen vorzeitig gestoppt, weil es unter der Blutdrucksenkung zu weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen und weniger Todesfällen kam (Krämer 2017).


Widersprüchliche Studien ?

Beide Studien müssen im Kontext mit früheren Untersuchungen betrachtet werden. Hierzu liegt eine aktuelle Übersicht und Meta-Analyse vor, die zur Vorbereitung einer neuen Leitlinie von zwei US-Gesellschaften erstellt wurde: Laut dem American College of Physicians (ACP) und der American Academy of Family Physicians (AAFP) ergebe diese Analyse, dass eine Blutdrucksenkung bei über 60-Jährigen auf unter 150 mmHg die Sterblichkeit senke, wobei der größte Effekt durch die Vermeidung von Schlaganfällen erzielt werde. Bei einer Absenkung des Blutdrucks auf unter 140 mmHg werde dagegen nur noch ein marginaler Zusatznutzen erzielt. Ein Vorteil für die Gesamtsterblichkeit sei dann in der Meta-Analyse nicht mehr nachweisbar. Das American College of Physicians und die American Academy of Family Physicians raten aufgrund der Ergebnis-Analyse, den Blutdruck bei älteren Menschen über 60 nur auf 150 mmHg zu senken. Nur bei Patienten, die bereits einen Schlaganfall hatten oder unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, sollte der Versuch unternommen werden, den Blutdruck auf unter 140 mmHg zu senken.


Individuelle Therapie

Die DHL teilt diese Empfehlungen nicht: „Bei Betrachtung der Studien zeigen sich in der Meta-Analyse von Weiss et al. ein signifikant besseres Gesamtüberleben, signifikant weniger Schlaganfälle und signifikant weniger kardiale Ereignisse, wenn der obere, der systolische, Blutdruckwert auf unter 140 mmHg gesenkt wird. Gerade die Mehrheit der über 60-Jährigen habe zudem ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. Daher sollte der Blutdruck gerade in dieser Altersgruppe auf mindestens unter 140 mmHg gesenkt werden. Auch die von den US-Gesellschaften angesetzte Altersgrenze von 60 Jahren sei ein zufälliges Ergebnis und vor allem durch das Durchschnittsalter der Patienten in den untersuchten Studien bestimmt. Als Altersgrenze komme allenfalls das 80. Lebensjahr in Frage, so die Einschätzung des Experten. Ein viel wichtigerer Maßstab sei die individuelle körperliche und geistige Verfassung des Patienten.

Quellen
Stellungnahme der Hochdruckliga
https://www.hochdruckliga.de/stellungnahme/items/positionierung-zur-empfehlung-der-leitlinienanpassung-durch-acp-und-aafp.html
Jessica Weiss et al.: Benefits and Harms of Intensive Blood Pressure Treatment in Adults Aged 60 Years or Older: A Systematic Review and Meta-analysis. Annals of Internal Medicine 2017; doi: 10.7326/M16-1754
http://annals.org/aim/article/2598412/benefits-harms-intensive-blood-pressure-treatment-adults-aged-60-years
Amir Qaseem et al.: Pharmacologic Treatment of Hypertension in Adults Aged 60 Years or Older to Higher Versus Lower Blood Pressure Targets: A Clinical Practice Guideline From the American College of Physicians and the American Academy of Family Physicians. Annals of Internal Medicine 2017; doi: 10.7326/M16-1785
http://annals.org/aim/article/2598413/pharmacologic-treatment-hypertension-adults-aged-60-years-older-higher-versus

 

Grundsätzliches zur Hochdruckbehandlung in Alter

  • Wegen verstärkter Na-Sensitivität im Alter kann Salzrestriktion bei diesen Patienten den Blutdruck stärker senken als bei jüngeren.
  • Die Reduktion von Übergewicht hat keine gesicherte Wirkung auf die Blutdrucksenkung.
  • Entsprechend der Salzsensitivität sind Diuretika meist gut wirksam und in vielen Studien an alten Menschen erprobt. Niedrige Dosis (max. 12,5 mg Hydrochlorothiazid/HCT).
  • Auch lang wirksame Kalziumantagonisten wie Amlodipin (5 mg) haben sich bewährt.
  • Selbst grenzwertige Hyponatriämie kann zu Koordinationsstörungen mit verstärkter Fallneigung führen, die nach Korrektur reversibel ist.
  • Vorsichtige, schrittweise Auftitration der Medikation.
  • Bevorzugung von fixen Arzneimittelkombinationen, wenn erforderlich.
  • Beachtung von Nebenwirkungen und Arzneimittelinteraktionen.
  • Orthostatische Dysregulation wird mit zunehmendem Alter und bei Hypertonie häufiger; sie ist überwiegend asymptomatisch und mit schlechter Prognose und Neigung zu Stürzen assoziiert.

Pharmakotherapie im Alter

Bei betagten Hypertonie-Patienten (> 85 J) ließ sich zeigen, dass bei (unzulänglich eingestellten?) systolischen Druckwerten von 141-160 mmHg nicht nur psychometrische Tests (z. B. MMSE-Score) günstig ausfielen, sondern auch die weitere Lebenserwartung am höchsten war. Die zu starke Absenkung des diastolischen Drucks (< 60 mmHg) könnte die Koronardurchblutung, insbesondere bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit, empfindlich beeinträchtigen (Krönig 2010).


Tabelle. Einige Begleiterkrankungen und Zusatzkriterien, welche die im Schema der Hochdruckbehandlung aufgestellten Behandlungsempfehlungen modifizieren können

Begleiterkrankung bzw. Zusatzkriterien

Behandlungsempfehlung

Ältere Patienten (>65 Jahre)

Kalziumantagonisten und Diuretika bevorzugen

Koronare Herzkrankheit

Betablockerund Kalziumantagonisten bevorzugen

Herzinsuffizienz

Diuretika und ACE-Hemmer bevorzugen. Carvedilol, Bisoprolol oder Metoprolol additiv zur Basistherapie in niedriger Dosierung

Vorausgegangener Myokardinfarkt

ACE-Hemmer und Betablocker bevorzugen

Diabetes mellitus

Bei jüngeren Patienten (Typ 1 und 2) ACE-Hemmer, niedrig dosierte β1-selektive Blocker und Kalziumantagonisten bevorzugen. Zurückhaltung mit nichtselektiven Betablockern. Bei diabetischer Nephropathie ACE-Hemmer

Linksherzhypertrophie

ACE-Hemmer, Betablocker und Kalziumantagonisten bevorzugen

Gicht

Zurückhaltung mit Diuretika

Obstruktive Ventilationsstörungen

Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer bevorzugen. Betablocker kontraindiziert

Niereninsuffizienz

Bei Serumkreatinin über 2,0 mg/dl Gabe von Schleifendiuretika. Kaliumsparende Diuretika können zu Hyperkaliämie führen. Verzögerte Elimination mancher Antihypertensiva (z. B. Atenolol, Nadolol, Sotalol, Captopril, Enalapril) beachten. ACE-Hemmer nephroprotektiv

Gravidität

β1-selektive Rezeptoren-Blocker oder α-Methyldopa einsetzen, deren Unschädlichkeit für die fetale Entwicklung nachgewiesen ist

Hyperlipidämie, arterielle Verschlusskrankheit

Es liegen bisher keine Langzeitstudien vor, die eine gesonderte therapeutische Empfehlung rechtfertigen

ACE Angiotensinkonversionsenzym


Tabelle.Risikostratifizierung bei Hypertonie nach den Schweregraden 1–3. (WHO u. ISH 1999)

 

Systolischer (SBD) und Diastolischer (DBD) Blutdruck [mmHg]

Schweregrad 1

Schweregrad 2

Schweregrad 3

Andere Risikofaktoren (RF) und Erkrankungen

SBD 140–159

oder DBD 90–99

SBD 160–179

oder DBD 100–109

SBD 180

oder DBD über 110

I. Keine anderen Risikofaktoren

Niedriges Risiko

Mittleres Risiko

Hohes Risiko

II. 1–2 Risikofaktoren

Mittleres Risiko

Mittleres Risiko

Sehr hohes Risiko

III. 3 oder mehr RF oder Diabetes oder Endorganschäden

Hohes Risiko

Hohes Risiko

Sehr hohes Risiko

IV. Kardiovaskuläre oder renale Erkrankungen

Sehr hohes Risiko

Sehr hohes Risiko

Sehr hohes Risiko


Tabelle. Zusammenstellung der Akronyme der Studien zur leitliniengerechten Behandlung der Hypertonie

ACCOMPLISH

Avoiding Cardiovascular Events in Combination Therapy in Patients Living with Systolic Hypertension

ADVANCE

Action in Diabetes and Vascular Disease: Preterax and Diamicron-MR Controlled Evaluation

ALLHAT

Antihypertensive and Lipid-Lowering Treatment to Prevent Heart Attack Trial

ASCOT

Anglo-Scandinavian Cardiac Outcomes Trial

DETAIL

Diabetics Exposed to Telmisartan and Enalapril

HOT

Hypertension Optimal Treatment Trial

IDNT

Irbesartan Diabetic Nephropathy Study

INVEST

International Verapamil SR. Trandolapril Study

MDRD

Modification of Diet in Renal Diseases

MRC

Medical Research Council Trial

ONTARGET

Ongoing Telmisartan Alone and in Combination with Ramipril Global Endpoint Trial

PROGRESS

Perindopril Protection against Recurrent Stroke Study

RENAAL

Reduction of Endpoints in NIDDM with the Angiotensin II Antagonist Losartan


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