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7.2 Durchfall und Verstopfung

Zusatzinfo

Norovirus- Infektion

Noroviren (früher als Norwalk-like-Viren bezeichnet) wurden 1972 durch elektronenmikroskopische Untersuchungen entdeckt. Das Norovirus zeichnet sich durch eine ausgeprägte Genomvariabilität aus; sie sind weltweit verbreitet und für einen Großteil der nicht bakteriell bedingten Gastroenteritiden bei Kindern (ca. 30%) und bei Erwachsenen (bis zu 50%) verantwortlich. Bei Säuglingen und Kleinkindern stellen sie nach den Rotaviren die zweithäufigste Ursache akuter Gastroenteritiden dar. Infektionen mit Noroviren können das ganze Jahr über auftreten, wobei ein saisonaler Gipfel in den Monaten Oktober bis März zu beobachten ist. Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir des Erregers. Die Viren werden über den Stuhl und das Erbrochene des Menschen ausgeschieden. Die Infektiosität ist sehr hoch. Die Inkubationszeit beträgt ca. 6–50 Stunden. 

 

Symptomatik : Noroviren verursachen akut beginnende Gastroenteritiden, die durch schwallartiges heftiges Erbrechen und starke Durchfälle (Diarrhöe) gekennzeichnet sind und zu einem erheblichen Flüssigkeitsdefizit führen können. In einzelnen Fällen kann die Symptomatik auch auf Erbrechen ohne Diarrhöe oder auf Diarrhöe ohne Erbrechen beschränkt sein. In der Regel besteht ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit abdominalen Schmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Myalgien und Mattigkeit. Die Körpertemperatur kann leicht erhöht sein, meist kommt es jedoch nicht zu hohem Fieber. Wenn keine begleitenden Grunderkrankungen vorliegen, bestehen die klinischen Symptome etwa 12–48 Stunden. Auch leichtere oder asymptomatische Verläufe sind möglich.

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Noroviren.html

 

Reisediarrhö: Einteilungshilfe

Nicht-entzündlich: kein Fieber, großvolumige wässrige Diarrhö, Schmerzen und Krämpfe im Oberbauch oder paraumbilikal, häufig Nausea und Erbrechen, keine Tenesmen.

Entzündlich: kleinvolumige, blutig-schleimige Diarrhö in hoher Frequenz, häufig Fieber, Schmerzen und Krämpfe im Unterbauch, Tenesmen, Entzündungsmarker im Stuhl (Lactoferrin oder Calprotectin positiv).

Überschneidungen im klinischen Bild sind möglich.


Antibiotische Therapie

Antibiotika können bei Erregersensibilität die Dauer der Symptome bei Reisediarrhö in einigen Fällen von 50-95 h auf 16-30 h verkürzen. Wegen potenziell gefährlicher Nebenwirkungen sollten Antibiotika nur bei besonders schwerer Erkrankung, Fieber und/oder blutigem Durchfall genommen werden: Norfloxacin (400 mg) oder Ciprofloxacin (500 mg) oder Ofloxacin (300 mg) zweimal täglich für max. 3 Tage, zusätzlich Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution.

Eine antibiotische Prophylaxe ist nur für bestimmte Hochrisikopatienten (Aids, aktive chronisch-entzündliche Darmerkrankung, insulinpflichtiger Diabetes, schwere Herzerkrankung oder Protonenpumpenhemmer-Langzeittherapie) empfehlenswert. (Arzneimittelbrief 10/2006)

Die regelmäßige prophylaktische Einnahme von Probiotika kann eine messbare Schutzwirkung erreichen (Jelinek 2009).

Beachte
Milchprodukte
sollten während der akuten Diarrhö weitgehend vermieden werden (vor allem virale und bakterielle Infektionen können passageren Laktasemangel hervorrufen).


Tabelle. Empfehlungen und Maßnahmen bei Verstopfung

  • Anregung des gastro- und ileokolischen Reflexes
    -        Morgens beim Aufstehen ein kaltes Getränk. Bei Säuglingen Kuhmilchtrinken stark einschränken!
    -        Reichliches Frühstück mit Kaffee
    -        Ballaststoffreiche Kost (z. B. Vollkorn- oder Leinsamenbrot, ungeschälter Reis, Früchte, wie Äpfel, Zitrusfrüchte,
             Gemüse, wie Karotten, Kohl, Hülsenfrüchte, Salat
    -        »Stuhltraining« möglichst täglich zur selben Zeit, am besten nach dem Frühstück mindestens 10 min lang; am
             geeignetsten »Hockstellung« (Beine mit einem Schemel hoch gestellt). Bei Kindern müssen die Füße
             Bodenunterstützung haben!
    -        Vermeidung von »stopfenden« Nahrungsmitteln (z. B. Banane, Kakao, Zartbitterschokolade)
    -        An die Einnahme von bestimmten Medikamenten denken (z. B. Kodein, Morphin, Verapamil, Parkinson-Mittel,
             Eisen- und Kalziumsupplemente, Diuretika, Colestyramin)
  • Mechanische Anregung der Dickdarmperistaltik
    -        Forcierte Bauchatmung, z. B. beim Gehen
    -        Massage des Dickdarms von außen
    -        Ballaststoffe vom Kleie- oder Quellstofftyp (Metamucil, Mucofalk, Macrogol/Movicol) unter Zufuhr von viel Flüssigkeit
  • Abführmittel
    -        Nur in Ausnahmefällen!

Tabelle. Orale Rehydradationslösung nach World Health Organization (WHO)

Auf 1 l abgekochtes Trinkwasser gibt man

3,5 g Natriumchlorid

3/4 TL Tafelsalz

2,5 g Natriumbikarbonat

1 TL Backpulver

1,5 g Kaliumchlorid

1 Tasse Orangensaft/2 Bananen

20,0 g Glukose

4 EL Rohrzucker

TL Teelöffel, EL Esslöffel


Fallbeispiel

Kasuistik 7.2-1: Gewichtsverlust bei 16-jähriger Diabetikerin

Bei einer 16-jährigen Patientin wurde kürzlich ein Diabetes Typ I neu diagnostiziert. Wegen Gewichtsabnahme (5 kg in 2 Monaten), erhöhter Stuhlfrequenz (2-3-mal/d) und meteoristischer Beschwerden, besonders nach Milchprodukten, kam sie in die Praxis. Bei der zierlichen Frau mit dem blassen Hautkolorit und einem Körpergewicht von 52 kg bei 172 cm Körpergröße lag der Verdacht auf eine Essstörung nahe. Labor: Hb 10,2 g/l und deutlich vermindertes Ferritin (< 5 ng/ml). Abdomen Sono: grenzwertig vergrößerte Lymphknoten (0,9 cm) und leichte Splenomegalie. Lebhafte Pendelperistaltik im Dünndarmbereich.

Die Überweisung zum Gastroenterologen wies im H2-Atemtest mit Laktose eindeutig einen Laktasemangel nach. Die Histologie der Dünndarmbiopsie zeigte das Bild einer Zottenatrophie.

Unter anschließender gluten- und laktosefreier Diät waren die Beschwerden rasch rückläufig und das Körpergewicht der Patientin stabilisierte sich innerhalb von 6 Monaten. (mod. n. Jankowiak u. Ludwig 2008)

Stichwörter:

  • Gewichtsverlust bei junger Frau
  • Bild einer Anorexie
  • Glutenenteropathie
  • Laktoseintoleranz

Norovirus: weltweit unterwegs und hoch infektiös (Zeitungshead 2016)
Norovirus: weltweit unterwegs und hoch infektiös (Zeitungshead 2016)

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