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7.4.2 Akutes Abdomen und Ileus

Zusatzinfo

Sinnvoll sind gezielte Fragen des Arztes nach

  • Schmerzbeginn bzw. –charakter: „Was machten Sie, als der Schmerz begann?“ Daraufhin können die Angaben z. B. bei Harnleitersteinkolik präzise („Ich öffnete gerade die Autotür“) und bei Appendizitis eher vage sein („Der Schmerz begann am Nachmittag“);
  • vorausgehenden Ereignissen, die wegweisend sein können: Oberbauchtrauma z. B. deutet auf eine Leber-, Milz- oder Darmruptur hin;
  • Schmerzcharakteristik: Kolikartige Schmerzen können je nach Lokalisation auf eine Gallen- bzw. Urethersteinkolik oder einen mechanischen Ileus hinweisen; Frauen, die bereits Geburten hatten, sprechen oft von „wehenartigen“ Schmerzen. Anhaltende, häufig zunehmende Schmerzen deuten auf einen Entzündungsprozess, z. B. Appendizitis, Pankreatitis, Cholezystitis hin (Lankisch et al. 2006).

 

Für die Bedürfnisse der Allgemeinpraxis hat sich in der gezielten Befragung des Patienten die systematische Schmerzanalyse bewährt (Sturm 2010):

  • Wo tut es weh? Der spontan angegebene Schmerzort ist nicht verlässlich. Im Epigastrium („mein Magen“) sammeln sich zunächst alle vegetativ vermittelten Schmerzen des abdominellen Bereichs. Wichtig ist der Verlauf: Bei weiterem Fortschreiten verlagern sich die Schmerzen bei Entzündungen mehr zum Ort des Geschehens, etwa in den rechten Unterbauch bei Appendizitis, in die Nabelregion bei Pankreatitis oder in den linken Oberbauch bei Ulcus ventriculi.
  • Wie tut es weh? Krampfend, drückend, bohrend, brennend, zerstörerisch nagend?
  • Wann tut es weh, wann nicht? Stuhlentleerung, körperliche Belastung oder Besserung in Abhängigkeit von der Körperhaltung, der Entspannung?
  • Was beeinflusst den Schmerz? Nahrungsaufnahme bessert zumeist beim Ulcus duodeni die Beschwerden, während Hunger sie verstärkt. Auch ein starkes Sodbrennen kann sich bei Zufuhr von Getränken (Milch!) bessern. Kommt es zur Besserung nach Erbrechen, nach Stuhlgang (bei Divertikulitis), bei Bewegung bzw. Haltung (Anziehen der Beine bei entzündlichen Prozessen im Bauchraum, Bewegungsdrang bei Koliken)? Wärme verschlechtert bei Entzündungen. Eher Neigung zum Kühlen?
  • Begleitsymptome? Durchfall oder Verstopfung? Stuhlveränderungen hinsichtlich Farbe, Konsistenz, Geruch, Häufigkeit?
  • Wie steht es um die anderen vegetativen Funktionen: Appetit, Durst, Miktion, Gewichtsverlauf, Fieber, Regel?
  • Unfälle, Verletzungen, Gefährdungen durch Reisen?
  • Was war sonst noch verändert? Bisherige Erkrankungen und deren Therapie?
  • Haben Sie Ähnliches schon gehabt? Gibt es Erkrankungen in der Umgebung?
  • Was wurde bereits veranlasst bzw. versucht?
  • Eigene Einschätzung, Vermutungen und Ängste?

 

Merke
Es gibt selten Einzelbefunde, die alleine diagnostisch zielführend sind; erst die einzelnen Puzzlestücke ergeben ein Gesamtbild, das bestimmte Ursachen wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher macht.


Körperliche Untersuchung (Lankisch et al. 2006)

Inspektion: Die Körperhaltung des Patienten kann erste Hinweise geben:

  • Unruhig, sich hin- und herwälzend: Gallen-/Harnleitersteinkolik?
  • Gekrümmt, kauernd: Pankreatitis?
  • Regungslos, ruhig: Peritonitis?

Auskultation: Die Auskultation des Abdomens sollte unbedingt vor Palpation und Perkussion durchgeführt werden, da möglicherweise durch diese Maßnahme die Darmperistaltik angeregt und so zum Beispiel ein Subileus verschleiert werden kann:

  • Normale Darmgeräusche: normale Peristaltik
  • Verstärkte Darmgeräusche: Enterokolitis? Mechanischer (Briden-)Ileus? Entzündliche/tumoröse Darmerkrankungen (Pressstrahlgeräusch)?
  • Herabgesetzte/fehlende Darmgeräusche: Paralytischer Ileus (reflektorisch bei Harnleitersteinkolik, Pankreatitis, Stoffwechselstörungen)? Hier sollten Ischämie und Peritonitis bedacht werden.

Palpation/Perkussion: Ist eine Abwehrspannung feststellbar? Wenn ja, kann die Lokalisation Hinweise geben: Die Reizung des parietalen Peritoneums kann den Organgrenzen im Bauchraum entsprechen. Bei diffuser (gummiartiger) Abwehrspannung besteht der Verdacht auf akute Pankreatitis. Die lokalisierte Abwehrspannung lässt eventuell einen Rückschluss auf das betroffene Organ zu. Bruchpfortenuntersuchungen dienen zum Ausschluss einer eingeklemmten Hernie.

Bei Verdacht auf Bauchwandschmerz: Wenn der Patient in der Lage ist, die Lokalisation des Schmerzes entweder punktförmig mit dem Finger anzugeben oder auf ein nur kleines Schmerzareal begrenzen kann, sollte der Carnett-Test durchgeführt werden: Palpation der maximalen Schmerzlokalisation vor und nach Anspannung der Bauchwand. Ist die Schmerzsymptomatik verstärkt oder unverändert noch an gleicher Stelle nach Anspannen der Bauchmuskeln vorhanden, liegt die Ursache in der Bauchwand, dies entspricht dem positiven Carnett-Test, ist sie geringer oder gar verschwunden, ist eine intraabdominale Ursache anzunehmen, dies entspricht dem negativen Carnett-Test.

Wichtig ist die Prüfung der Abwehrspannung bei der Ausatmung, da diese bei fehlender Peritonitis dann aufgehoben wird. Auch eine rektale Untersuchung darf nicht fehlen. Der Douglas-Schmerz weist auf eine Peritonitis hin und der Portioschiebeschmerz auf eine gynäkologische Ursache. Während des Untersuchungsganges sind Gesicht und eventuelle Schmerzäußerungen des Patienten zu beobachten.


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