2.1.4 Höhe der Körpertemperatur
Zusatzinfo
Wissenswertes
1868 veröffentliche Carl Wunderlich sein Werk „Das Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten“. Nach > 1 Mio Messungen der Körpertemperatur bei rd. 25.000 Patienten hatte Wunderlich 37,0°C als Durchschnittstemperatur des gesunden Erwachsenen ermittelt. Temperaturen > 38,0°C stufte er als „wahrscheinlich febril“ ein. Obwohl Wunderlichs Werte verschiedentlich kritisiert wurden, haben sie bis heute Gültigkeit, nicht nur in der Laienwelt.
Physiologische Folgen von Fieber
- Erhöhter Grundumsatz (etwa um 10 % je 1 °C)
- Vermehrte Perspiratio insensibilis (etwa um 300 – 500 ml/m²/täglich je 1 °C)
- Pulsbeschleunigung (etwa um 10 Schläge/min je 1 °C)
- Entsprechend erhöhter Sauerstoffbedarf
Fiebergefühl
Der subjektive Eindruck des Patienten und des Arztes („gefühlte Temperatur“) erweist sich als erstaunlich sensitiv (83 % resp. 71 %) und ebenso spezifisch (83 % vs. 72 %).
Fieber bei Kindern
Bei Kleinkindern ist der Eindruck jedoch häufig irreführend, insbesondere zu wenig sensitiv. So zeigte sich in einer pädiatrischen Notfallambulanz, dass ein Status febrilis (über 38 °) ohne Fiebermessung zu Hause in über 50 % der Fälle verpasst worden war, dies im Gegensatz zu jenen Fällen, in welchen die Temperaturmessung unter häuslichen Bedingungen stattgefunden hatte. (Boschung 2006)
Merke
Bei Kindern verdient der Eindruck von Fieber sicher, dass er ernst genommen wird. Entscheidend und von belegtem Nutzen ist jedoch die zu Hause und in der Praxis gemessene Körpertemperatur.
Merke
Fieber ist ein Messwert und nicht eine Frage des Vermutens, Schätzens oder Glaubens.
Fieber bei Senioren
Gerade bei älteren Menschen sollte die Messung der Körpertemperatur möglichst mit fortlaufender Dokumentation erfolgen. Auch wenn das Leitsymptom Fieber fehlen kann, sollte man zumindest daran denken (Horn 2006)
- bei bronchialem Infekt → tags darauf Bild einer Pneumonie
- bei Harninwegsinfekt → tags darauf urogene Sepsis
- bei Fieber → Thrombophlebitis (Blick unter die Bettdecke!)
- bei Fieber → Tumor und Metastasen
- bei Fieber → Durst, Exsikkose (gezielt suchen unerlässlich!)
- bei Fieber → Medikamente
- bei Fieber → Systemerkrankungen
Fiebermessung bei Kindern
Gemessen werden sollte Fieber bei kleinen Kindern grundsätzlich rektal. Das Thermometer im After muss festgehalten werden. Auf keinen Fall darf sich ein Kind dabei selbst überlassen bleiben. Für alle Altersgruppen gilt: Die Messung sollte rektal mind. 5, in der Achselhöhle oder unter der Zunge 10 min dauern.
Eine unterschiedliche Fiebermesstechnik bei Kindern von 4 Wo bis zum 5. Lebensjahr empfehlen die britischen NICE-Guidelines (Richardson et al. 2007):
- ein elektronisches Thermometer in der Axilla oder
- ein Chemical-Dot-Thermometer in der Axilla oder
- ein Infrarot-Ohrthermometer.
Herzfrequenzverhalten bei Kleinkindern
Im Vergleich zu einem gesunden Referenzkollektiv mit einem Herzfrequenzmittelwert unter Praxisbedingungen von 101 Schlägen/min und einem Temperaturmittelwert von 37,1°C wurde Fieber in einem Niedrigfieberkollektiv (37,9-38,9°C) bei einem Herzfrequenzschwellenwert > 15 % der Referenznorm mit einer Sensitivität von 79,6 % und einem positiven Vorhersagewert von 91,0 % richtig erkannt. Noch besser war die Aussage im Hochfieberkollektiv (Temp. > 39,0°): überschritt f des Patienten die Referenznorm um > 20 %, wurde Fieber mit einer Sensitivität von 96,4 % und einem positiven Vorhersagewert von 90,0 % richtig diagnostiziert.
Merke
Diese statistischen Kenndaten sind anderen klinischen Verfahren mindestens ebenbürtig (Meyer 2006).
Tabelle.Umgang mit Kindern unter 5 Jahren mit Fieber im Hausarztbereich (Richardson et al. 2007)
Geringes Risiko |
Mittleres Risiko |
Hohes Risiko |
Versorgung zu Hause mit angemessener Beratung, inklusive mündlichen oder schriftlichen Informationen, oder beidem, über Warnsymptome und weitere Möglichkeit zur Gesundheitsberatung |
Ohne exakte Diagnose: Bieten Sie Hilfestellung an oder, falls klinisch indiziert, verweisen Sie auf eine pädiatrische Versorgung. Hilfestellungen bestehen aus mündlichen oder schriftlichen Informationen über Warnsymptome und wie man auf weitere Gesundheitsfürsorge zugreift, oder verbinden Sie sich mit anderen medizinischen Fachleuten, um sicherzustellen, dass der Patient diese direkt für die weitere Beurteilung, oder für weitere Nachsorge zu einer bestimmten Zeit und an einer bestimmten Stelle aufsuchen kann |
Aufgrund der Ferneinschätzung (z.B. telefonische Triage): Verweisen Sie dringend auf die persönliche Beurteilung innerhalb von 2 Stunden* (dies sollte gewöhnlich in der hausärztlichen Versorgungsebene stattfinden). Aufgrund der persönlichen Beurteilung: Überweisen Sie dringend an einen Pädiater. |
* Empfehlung hauptsächlich auf den Einzelfall bezogen
Tabelle. Einschätzung des Risikos einer ernsthaften Erkrankung bei Kindern mit Fieber unter 5 Jahren (Richardson et al. 2007)
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niedriges Risiko |
mittleres Risiko |
hohes Risiko |
Farbe |
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Aktivität |
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Atmung |
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Turgor |
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Sonstiges |
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