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10.4.7 Kontrazeption

Zusatzinfo

Wissenswertes

Im Jahr 2008 nutzten weltweit 63,2 Mio Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren ein orales Kontrazeptivum. Dabei bestehen zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede. In Deutschland, Frankreich und Schweden haben fast 90 % der Frauen bereits Erfahrungen mit der „Pille“. Die Versagerquote liegt unter 1 %.

In den USA wie in Deutschland ist etwa die Hälfte aller Schwangerschaften ungeplant, sodass eine differenzierte Erhebung der Familienplanung und Verhütung notwendig ist, wenn potenziell teratogene Medikamente verordnet werden. Die Studie belegt auch, dass die routinemäßige Erhebung dieser Punkte von den Frauen in den untersuchten Praxen akzeptiert wurde (Schwarz et al 2013).

Die Einphasenpille entspricht prinzipiell der alten Pinkus-Pille: An allen 21 Einnahmetagen wird die gleiche Kombination von Östrogenethinylestradiol/EE und Gestagen (häufig Levonorgestrel bzw. Lynestrenol) eingenommen (in Deutschland Ersteinführung 1971 als Anovlar, Östrogenanteil 50 µg). Von den synthetischen Östrogenen spielt das Ethinylestradiol (EE) die größte Rolle.

Hormonarme 1-Phasen-Pillen haben eine ebenso niedrige Versagerquote wie die hormonreichen 1-Phasen-Pillen. Dagegen sind fast alle anderen Nebenwirkungen (z. B. anhaltende Übelkeit, Kopfschmerzen) deutlich seltener.

Von einem 2-Phasen-Präparat spricht man, wenn während der 1. Einnahmephase nur Östrogene genommen werden und erst in der 2. Phase die üblichen Kombinationen von Östrogen und Gestagen.

Die 3-Phasen-Präparate wurden in der Absicht entwickelt, die Vorteile der hormonarmen Pillen mit den Vorteilen der Mehrstufenpräparate zu kombinieren.

Die Minipille, eingeführt 1965, erzielt ihre kontrazeptive Wirkung ohne Ovulationshemmung. Damit entfällt ein größerer Eingriff in das Regulationssystem Hypothalamus-Hypophysenvorderlappen-Ovar. Verabfolgt wird täglich – ohne jede Pause (also auch während der Menstruation!) – eine niedrige Dosis eines synthetischen Gestagens. Sie beträgt nur ein Sechstel bis ein Zehntel der Menge, die in Einphasenpräparaten täglich genommen wird. Die Wirkung der Minipille (z. B.microlut) verhindert durch Veränderung des Zervixschleims (Viskositätszunahme) die Spermienaszension.


Tabelle.Zusammenstellung verschiedener oraler hormonaler Kontrazeptiva in Deutschland (Beispiele) in Abhängigkeit von ihrem Typ. Stand: 1.1.2007

Einphasige Mikropillen (20 μ EE)

Desmin 20

EVE 20

Leios

Lovelle

Miranova

Einphasige Mikropillen (weniger als 50 μEE)

Cilest

Conceplan M

Belara (gegen Akne)

Diane 35 (gegen Akne)

Femranette mikro

Marvelon

Microgynon 21

Minulet

Ovoresta M

Stediril 30

Yasmin

Zwei-Phasen-Präparate
(mit 50
μEE)


(weniger als 50 μ EE)

Oviol 22

Biviol

Drei-Phasen-Präparate (weniger als 50 μEE)

Novastep

Pramino

Synphasec

Triette

Trinordiol 21

Triquilar

Trisiston

Minipille

(Nur Gestagen – nicht zur Menstruationsverschiebung geeignet)

Microlut

28 mini

EE Ethinylestradiol


Vaginalring (Nuvaring) und Kontrazeptionspflaster (EVRA)

Die beiden Antikonzeptiva enthalten EE und synthetische Gestagene, die auch bei parenteraler Anwendung ähnliche Auswirkungen auf die Leber und andere Organe haben wie unter der oralen Behandlung. Es gibt also keinen Unterschied zwischen dem kontrazeptiven Pflaster und den oralen Kontrazeptiva beispielsweise hinsichtlich der Wirkung auf die Homöostase. Dementsprechend unterscheidet sich das Risiko von VNT nicht von dem der niedrig dosierten Ovulationshemmer (Wiegratz u. Kuhl 2008).


Nichthormonelle Verhütung

Die Beurteilung des Temperaturanstiegs macht selten Schwierigkeiten. Der Anstieg ist dann signifikant, wenn er innerhalb von 48 h oder weniger eintritt und die Temperaturen an 3 aufeinander folgenden Tagen um etwa 0,5°C höher liegen als an den vorangegangenen 6 Tagen.


Eingriffsaufklärung

Die Gabe eines Kontrazeptivums wird durch den BGH als ärztlicher Eingriff im Sinne eines aggressiven bzw. nicht ungefährlichen Medikaments gewertet; dagegen wäre bei der Verordnung eines harmloseren Pharmakons eine „therapeutische Sicherheitsaufklärung“ vor Verschreibung ausreichend. Die Beweislast würde dann im Klagefall bei der Patientin liegen. Der bloße Hinweis, Pille und Zigarette vertrügen sich nicht, verdeutlichen nicht ausreichend, welche schwerwiegenden Folgen eintreten können.

Bei Verordnung hormonaler Kontrazeptiva bei Mädchen ab dem 14. Lebensjahr soll der Arzt im Gespräch mit dem Mädchen zu dem Eindruck gelangen, dass ohne eine sichere Verhütung eine Schwangerschaft eintreten könnte und das Mädchen die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt. Eine ausführliche Dokumentation über die Persönlichkeit des Mädchens und über ihre „Einsichts- und Kritikfähigkeit“ ist anzuraten. Bei den unter 14-Jährigen soll die Zustimmung der Eltern eingeholt werden (Heinz 2008).


2-Phasen-Präparate

Die beste Zykluskontrolle lässt sich mit 2-Phasen-Präparaten erreichen, da die alleinige EE-Gabe in der ersten Phase eine deutliche Proliferation des Endometriums bewirkt. Dagegen bieten 3-Stufen-Präparate keinen Vorteil gegenüber den monphasischen Kombinationen, da in allen Phasen ein Gestagen enthalten ist, das die EE-induzierte Proliferation hemmt (Wiegratz u. Kuhl 2008).

  • Gestoden-haltige Kontrazeptiva
    z. B. Femovan®, Minulet®
  • Desogestrel-haltige Kontrazeptiva
    z. B. Cerazette®
  • Drospirenon-haltige Kontrazeptiva
    z. B. aida®, Angelique®, Petibelle®, Yasmin®, Yasminelle®, Yaz®

Wissenswertes zur "Pille danach"

Die männlichen Samenzellen können bis zu fünf Tage in der Gebärmutter und den Eileitern überdauern. Kommt es in dieser Zeit zum Eisprung, ist eine Befruchtung deshalb bis zu 5 Tage nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr möglich, in sehr seltenen Fällen auch bis zu sieben Tage.Hier setzt die „Pille danach“ an: Sofern der Eisprung noch nicht stattgefunden hat, kann ihn die „Pille danach“ so lange hemmen oder verzögern, dass keine Befruchtung mehr möglich ist, weil die Spermien die Eizelle nun „verpassen“.

Es gibt verschiedene Arzneimittel mit jeweils einem unterschiedlichen Wirkstoff: entweder Levonorgestrel oder Ulipristalacetat. Beide Wirkstoffe hemmen oder verzögern den Eisprung. Rechtzeitig vor dem Eisprung eingenommen, können sie so eine Befruchtung der Eizelle verhindern.

Um dem Eisprung zuvorzukommen, ist es am besten, wenn die „Pille danach“ so schnell wie möglich genommen wird, am besten innerhalb von 12 h nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr. Danach geht ihre Wirksamkeit allmählich zurück. Präparate mit dem Wirkstoff Levonorgestrel sind für die Einnahme bis maximal 72 Stunden (3 Tage) nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr zugelassen, das Präparat mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat bis maximal 120 h (5 Tage) danach. Nach mehr als 120 h ist es zu spät für die „Pille danach“.  Präparate mit Levonorgestrel sind wirksam, wenn sie bis etwa 2 Tage vor dem Eisprung eingenommen werden, das Präparat mit Ulipristalacetat auch noch am Vortag des Eisprungs. Steht der Eisprung jedoch unmittelbar bevor oder hat er bereits stattgefunden, wirken beide Präparate nicht mehr.

Hat trotz korrekter Einnahme der „Pille danach“ eine Befruchtung stattgefunden und sich das befruchtete Ei in die Gebärmutter eingenistet, sind Schädigungen des Embryos nach jetzigem Wissensstand nicht zu erwarten. Bei Levonorgestrel gibt es umfangreiche und langjährige Erfahrungen bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit. Jedoch liegen mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat bisher nur begrenzte Erfahrungen vor. Daher sollte jede Schwangerschaft, die nach Einnahme des Ulipristalacetat-haltigen Präparats eingetreten ist, gemeldet werden. Die Meldung kann die Frauenärztin, der Frauenarzt oder die Schwangere unter www.hra-pregnancy-registry.com/de/ vornehmen.  Wird die „Pille danach“ während einer bereits bestehenden Schwangerschaft eingenommen, kommt es nicht zum Abbruch dieser Schwangerschaft. Die „Pille danach“ ist keine „Abbruchpille" (mit der sie häufig verwechselt wird). Die „Pille danach“ sollte so rasch wie möglich nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden, möglichst innerhalb von 12 h. (Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 24.6.2015)

 

Hormonelle Verhütung und Thromboserisiko

Es gibt für das Thromboserisiko Unterschiede, was die einzelnen Präparate sowie individuelle Risikofaktoren angeht, schreibt die Gynäkologin Sabine Segerer, Hamburg, in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017) und stellt die Empfehlungen der WHO vor. Das höchste Risiko besteht nach Einnahmebeginn.
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/hormonelle-verhuetung-thromboserisiko-beachten-1837572


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