Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
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10.6 Sexualprobleme

Zusatzinfo

Wissenswertes

Sex ist so alt wie die Fresken von Fellatio-Szenen in Pompeji oder die offensichtlichen Dokumente von Sexszenen auf Papyrus aus dem alten Ägypten und aus dem alten Rom. Heute kaum zu glauben, dass im Jahr 1952 Masturbation und Cunnilingus noch zum gestörten Verhalten gezählt wurden. Dann kam im Rahmnen der Studentenbewegung 1968 die sexuelle Revolution in Gang und in den Medien die "Sexwelle" der 70er Jahre. Heute 2021 leben wir in einer aufgeklärten Gesellschaft, die Masturbation mit dem täglichen Zähneputzen vergleicht und uns Mut macht, für die eigene Sexualität einzustehen (Aebi-Popp K 2021).

Mehrere Studien haben es gezeigt: Etwa jeder dritte Erwachsene in hochentwickelten Industrieländern ist für längere Phasen seines Lebens von einer sexuellen Störung betroffen. Die häufigste Sexualstörung bei Frauen, Mangel an sexuellem Verlangen, datiert oft in die Zeit nach der Geburt des ersten Kindes (postpartaler Anstieg des Prolactinspiegels); weitere Ursache für Appetenzminderung: psychosoziale Überlastung innerhalb oder außerhalb der Partnerschaft. Anhedonie (Mangel oder Verlust sexuellen Verlangens) stellt auch bei Männern in ungefähr gleichem Umfang (ca. 15 %) ein zunehmend klinisch relevantes Problem dar, häufig im Gefolge eines Burn-out-Syndroms (Bosinski 2008).


Sexuelle Gesundheit

Sexuelle Gesundheit ist der Zustand des körperlichen, emotionalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf die Sexualität und nicht nur das Fehlen von Krankheit, Funktionsstörungen und Gebrechen. Sie setzt eine positive und respektvolle Haltung gegenüber Sexualität und sexuellen Beziehungen voraus sowie die Möglichkeit, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen und zwar frei von Zwang (WHO 2002; zit. Aebi-Popp 2021).


Mögliche Anknüpfungspunkte für ein Gespräch über die Sexualität in der Hausarztpraxis

  • Die Frage nach der Paarsituation (dem Ehestand u. ä.) gehört regelhaft zur Sozialanamnese und kann ergänzt werden, etwa: „Gibt es in Ihrer Beziehung sexuelle Probleme?
  • Wünsche der Patientinnen nach Kontrazeption sind Wünsche nach Sexualität ohne Reproduktion! In diesem Zusammenhang ist die Sexualität anzusprechen (Frequenz, Zufriedenheit etc.).
  • Ansprechen der Sexualität bei unklaren somatischen Beschwerden, etwa im Bereich des Unterbauchs: „Haben Sie beobachtet, ob Ihre Beschwerden nach dem Geschlechtsverkehr schlimmer werden?

(Quelle: Bosinski 2008)


Die Schweizer Frauenärztin Dr. Aebi-Popp schlägt in einem Kapitel "Sex im Jahre 2021" bestimmte "erste Fragen" vor:

  • "Wie sieht es mit Ihrem Sexualleben aus ?"
  • "Leben Sie in einer Partnerschaft ?"
  • "Sind Sie sexuell aktiv ?"

Und nach der Antwort sollte sich der Arzt/die Ärztin versichern, ob der "Ist-Zustand" (Sex oder kein Sex) zur Zufriedenheit führt. Das Gespräch könnte eventuell dann folgendermaßen fortgesetzt werden:

  • "Und wie findet der Partner das, dass Sie seit einem Jahr keinen Sex haben ? Haben Sie das mit ihm besprochen ?" Oder
  • "Haben Sie Sex mit einem oder mehreren Partnern ?"

(Quelle : Aebi-Popp K 2021)


  • Der Hausarzt ist ein geeigneter Ansprechpartner für sexuelle Probleme.
  • Das Gespräch über Sexualität ist der Türöffner für Diagnose, Behandlung und Prävention.
  • Ärzte und Patienten sprechen sexuelle Probleme zu selten an.
  • Diagnose und Behandlung von sexuellen Problemen werden in der hausärzlichen Praxis zu häufig verpasst, weil zu wenig über Sexualität gesprochen wird.
  • Die Mehrheit der Patienten wünscht, auf ihre Sexualität angesprochen zu werden.
  • Es liegt an uns Ärzten, die Initiative für ein Gespräch über Sexualität zu ergreifen.

Hilfestellung für Sexualanamnese

Eine gute Hilfestellung bei der Sexualanamnese können die aus dem Englischen übernommenen "5 P's" sein:

  • Partners (Anzahl von Sexualpartnern)
  • Practices (Sex oral, vaginal, anal, Sex-Toys)
  • Protection from STI (Kondom, Impfungen, Präexpositionsprophylaxe)
  • Past History of STI (z.B. Syphilis - im Labor nachweisbar bleibend)
  • Prevention of Pregnacy (Verhütung)


Programmierte Diagnostik

Speziell für die Bedürfnisse des allgemeinärztlichen Einstiegsgesprächs "für den Einsatz in einem Patienten-Arzt-Gespräch beim Anschein einer möglichen sexuellen Problematik" wurde eine Checkliste Nr. 87  entwickelt (Wunder A, Mader FH 2019) entwickelt. Dieses "Sexualität-Programm" ist eines von über 90 Checklisten der "Programmierten Diagnostik in der Allgemeinmedizin nach Braun für Anamnese, Untersuchung und Dokumentation" (vgl. Mader:Fakten-Fälle-Fotos© Kap.1.3.6)
https://www.springermedizin.de/-ohne-checkliste-faellt-einem-nachweisbar-bestensfalls-die-haelf/17042352

Der Einstieg in eine solche programmierte Untersuchung könnte etwa sein:

  • "Ich schlage vor, wenn Sie damit einverstanden sind, dass ich Ihnen jetzt einige Fragen stelle, die Ihre sexuelle Gesundheit betreffen." Oder:
  • "Ich hab da so eine Liste mit paar Fragen zur sexuellen Gesundheit. Darf ich die mal vorlesen ? Das müssen Sie nicht alles beantworten."  Oder für eine Ärztin:
  • "Das ist jetzt auch für mich als Frau nicht einfach, über Ihre sexuellen Probleme als Mann zu sprechen. Ich bin aber überzeugt, dass das ein belastendes Thema für Sie ist. Darf ich Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen ?"

Erektile Dysfunktion, Ejaculatio praecox

Mögliche Ursachen:

  • Medikamentös, z. B. Betablocker, Reserpin oder Antidepressiva; Erkrankungen, z. B. Diabetes mellitus; Sucht, z. B. Alkoholismus; psychische Faktoren, z. B. Untreue).

Definition Sterilität:

  • Eine sterile Eheoder Partnerschaft liegt vor, wenn die Frau bei ungeschütztem regelmäßigen Geschlechtsverkehr nicht innerhalb von 2 Jahren schwanger wird. Mögliche Sterilitätsursachen zu ca. 45% bei der Frau, zu 40% beim Mann, 15% ungeklärt (Rabe 1990).

Beispiele für Impotentia generandi:

  • Mögliche Ursachen: anatomisch, z.B. Varikozele, Zustand nach Epididymitis beidseits; testikuläre Fertilitätsstörungen, z. B. Zustand nach (Mumps) orchitis.

Beschaffenheit des normalen Ejakulats:

  • Volumen zwischen 2 ml und 6 ml, Koagulation post ejaculationem und Wiederverflüssigung zwischen 5 min und 30 min. Spermiendichte nicht unter 40 Mio./ml, Motilität mit 60% der spontanen Beweglichkeit, 70% Normalformen im Differenzialspermiogramm.

Behandlungsmöglichkeiten bei erektiler Dysfunktion:

  • Möglichkeiten der Einzel- und/oder Partnerbehandlung, z. B. Ausschalten der Noxen, Änderung der Lebensweise, Stress- und Altersproblematik, Penisprothese, Schwellkörperautoinjektionstherapie (SKAT; z. B. Caverject), »medicated urethral system for erection« (MUSE; Alprostadil in Harnröhre instilliert), Sildenafil (Viagra), Apomorphinhydrochlorid (Uprima); Überweisung zu welchem Spezialisten und zu welchem Therapeuten (z. B. Familientherapie), jedoch kein unkritisches Abschieben zum »Fachmann«. Überwindung der eigenen Sprachlosigkeit.

Gefäßerkrankungen

können Vorboten von Sexualstörungen sein, schreibt Dr.Th. Grundmann (Luzern/CH) in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2021) 2:21-24
https://allgemeinarzt.digital/epaper-data/Der-Allgemeinarzt-2021_2/20/index.html


Therapieoptionen bei Erektiler Dysfunktion

Die Erwartungen des Patienten an die Behandlung und aktuelle Therapieoptionen einschl. Penisprothese beschreiben PD Dr.med. G. Hatzichristodoulou et al in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2021) 7: 36-39
https://allgemeinarzt.digital/epaper-data/Der-Allgemeinarzt-2021_7/36/index.html


Dyspareunie

Vielfältig können für eine Dyspareunie die Ursachen sein, Z.B. Induratio penis plastica, Phimose oder Beckenbodenschmerzen, schreibt PD Dr. med. Zimmermann in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2016).
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1791295
 


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