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12.2.5 Psychopharmakotherapie

Zusatzinfo

Wissenswertes

Psychopharmaka gehören zu den meistverordneten Medikamenten, ihr Umsatzanteil (GKV ambulant) liegt bei > 7 %. Seit Jahren stehen Antidepressiva an der Verordnungsspitze, die verordneten Tagesdosen haben sich in den vergangenen 20 Jahren vervierfacht.


Depressionsleitlinien des NICE

Die 133 Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie der unipolaren Depression verteilen sich:

  • Evidenzgrad A: 6 Empfehlungen,
  • Evidenzgrad B: 23 Empfehlungen,
  • Evidenzgrad C: 73 Empfehlungen

Weitere 31 Empfehlungen rechtfertigen sich als „good clinical practice based on clinical experience of the guideline development group”.

(Quelle: Maier 2009)


Auswahlkriterien für Antidepressiva (Kornacher u. Wolfersdorf 2010)

  • Psychopathologischer Befund,
  • Nebenwirkungsspektrum,
  • somatische und psychische Komorbiditäten,
  • Begleitmedikation (Wechselwirkungen!),
  • Toxizität (Suizidalität!),
  • Alter (erhöhte Nebenwirkungsrate bei älteren Patienten!),
  • Ansprechen auf ein bestimmtes Antidepressivum bei Vorbehandlungen,
  • Erfahrungen des Behandlers,
  • Erfordernisse und Präferenz des Patienten (Lebensstil, Alkoholgenuss, Berufstätigkeit, Fahrtüchtigkeit).

Nebenwirkungen (Auswahl)

  • Tri- und tetrazyklische Antidepressiva:
    Sedierung und anticholinerge Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Obstipation, Miktions- und Akkommodationsstörungen). Cave:  Einsatz bei Reizleitungsstörungen oder kardialer Vorschädigung.
  • Selektive Antidepressiva:
    Ihre Substanzen führen nicht zu einem raschen Wirkungseintritt oder einer höheren Ansprechrate als die klassischen Tri- und Tetrazyklika, sie sind jedoch besser verträglich, weniger toxisch und einfacher handhabbar. Sie weisen jedoch ein anderes Nebenwirkungsprofil und andere Wechselwirkungen auf.
  • MAO-Hemmer:
    Die Behandlung erfolgt ausschließlich fachärztlich.
  • Melatonin-Agonist:
    Erhöhte Inzidenz hepatischer Komplikationen.
  • Tranquilizer:
    Benzodiazepine sollten wegen ihres Abhängigkeitspotentials nur im Notfall und in eng befristeten Ausnahmesituationen (Stupor, ängstliche Agitiertheit, psychomotorische Unruhe, Suizidalität) initial in Kombination mit Antidepressiva zu deren Wirkungseintritt gegeben werden. Ohne Abhängigkeitspotential: Opipramol und Buspiron.
  • Stimmungsstabilisierer:
    Lithium und Antiepileptika (Carbamazepin, Valproinsäure, Lamotrigin). Störungen der Nierenfunktion und des Natriumhaushalts sowie Herzerkrankungen müssen ausgeschlossen sein.
  • Johanniskraut:
    Beachte: Ausreichende Dosierung! Mögliche schwere Wechselwirkungen in Kombination mit oralen Kontrazeptiva, Antikoagulantien, Antiepileptika, Immunsuppressiva und Virostatika.

(Quelle: Kornacher u. Wolfersdorf 2010)


Lichttherapie

Bei ca. 70 % der dafür infrage Kommenden bestehen Hypersomnie, Hyperphagie und Kohlenhydratheißhunger. Dauer der Anwendung: 30 min/d vom Herbst bis Frühjahr. Auftreten des antidepressiven Effekts ca. 3-7 Tage. Lichtintensität: 10.000 Lux. Der antidepressive Effekt wird über das Auge vermittelt. Die Augen sollen etwa 90 cm von der Lichtquelle entfernt sein. Der Patient soll etwa 1x/min direkt in die Lichtquelle schauen.

(Quelle: Kasper 2007)

Körperliches Training kann aus Erfahrung heraus empfohlen werden.


Zusammenarbeit

Eine leitliniengerechte Behandlung setzt die korrekte Klassifizierung der depressiven Störungen voraus. Der Allgemeinarzt sollte zur Zusammenarbeit mit dem Spezialisten klare Überweisungskriterien beachten (Übersicht).

Übersicht. Überweisungskriterien für den Allgemeinarzt in den ambulanten/stationären Fachbereich bei unipolarer Depression (Härter, Bermejo, Schneider)

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. Nervenarzt

Stationäre Behandlung

Unklare psychiatrische Diagnose

Mittelschwere bis schwere Symptomatik

Psychotische Symptome oder depressiver Stupor

Schwere psychosoziale Probleme

Suizidale Gefährdung

Psychiatr. Komorbidität u. Substanzabhängigkeit/-missbrauch

Notwendigkeit der Kombination von Antidepressiva mit anderen Medikamenten

Fehlende Besserung nach sechs Wochen Behandlung trotz guter Compliance und ausreichenden Plasmaspiegels

Akute Suizidalität und/oder Fremdgefährdung

Deutliche psychotische Symptome

Behandlungsgefährdende psychosoziale Probleme (z. B. schwere akute familiäre und/oder berufliche Konflikte, traumatische Erlebnisse, akute Zuspitzung psychosozialer Probleme)

Fehlen eines tragfähigen sozialen Netzwerks oder drohende Verwahrlosung

Ambulante Therapieresistenz

 


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