Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
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12.6.2 Nikotin

Zusatzinfo

Wissenswertes

Weltweit sterben jährlich etwa 4,8 Mio Menschen an den Folgen ihres Rauchverhaltens. Amerikanische Epidemiologen errechneten, dass in diesem Jahrhundert 1 Mrd. Menschen vorzeitig an den Folgen des Tabakkonsums sterben wird.

Fast 30 % der Deutschen > 15 Jahre rauchen, obwohl seit September 2007 ein grundsätzliches Rauchverbot in allen Bundesbehörden, öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen gilt.

Rauchen verursacht in Deutschland jährliche Kosten von knapp 19 Mrd. Euro. Davon kostet die medizinische Versorgung 5 Mrd. Euro; 14 Mrd. Euro entstehen durch Arbeitsausfall.

Andauernde Passivrauchexposition erhöht das Risiko für ein akutes kardiales Ereignis um mind. 30 %. Die Effekte des Passivrauchens schlagen sich mit knapp einem Viertel der Netto-Kosten des Rauchens nieder.

Maßnahmen, die einen Rauchstopp zum Ziel haben, sind im Vergleich mit anderen Präventionsprogrammen hoch kosteneffektiv.

Wasserpfeifenraucher inhalieren in einer Sitzung etwa so viel Rauch wie durch 100 filterlose Zigaretten.

(Quellen: Thonack u. Hoffmann 2010; Steier u. Konietzko 2008)

 

Die erhebliche Reduktion der täglich konsumierten Zigaretten um 50 % verbessert mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren und Symptome der Atmung (z. B. Husten und Schleimbildung).

Der Patient muss wissen, dass nicht allein die Menge von Zigaretten entscheidend ist, sondern auch die grundsätzliche Tatsache, ob er raucht oder nicht. Die INTERHEART-Studie zeigt, dass schon bei wenigen Zigaretten das Herzinfarktrisiko steigt (Theo et al. 2006).

Professionelle Beratung in Deutschland: www.tabakkontrolle.de

 

Klassifizierung nach ICD-10

Die ICD nennt für F17.2 sechs Kriterien, wenn drei davon in den vergangenen 12 Monaten gleichzeitig aufgetreten sind, besteht „Tabakabhängigkeit“.

Tabelle. Kriterien für Tabakabhängigkeit

  • zwanghaftes Verlangen zu Rauchen
  • eingeschränkte Kontrolle über Beginn, Beendigung und Menge des Konsums
  • Entzugserscheinungen bei Wegfall bzw. Einschränkung des Konsums
  • Toleranzentwicklung (für eine gleich bleibende Wirkung sind steigende Dosen erforderlich)
  • zunehmende Vernachlässigung anderer Aktivitäten und Interessen zugunsten des Konsums
  • fortgesetztes Rauchen trotz des Wissens um Folgeschäden

Fagerström-Test

Der aussagekräftige, einfach und schnell anwendbare Test umfasst sechs Fragen, für die insgesamt max. 10 Punkte vergeben werden. Je höher die Punktzahl, desto größer ist die Nikotinabhängigkeit.

 

Tabelle. Fagerström-Test

Wann nach dem Aufwachen rauchen Sie Ihre erste Zigarette?

Innerhalb von 5 Minuten

3 Punkte

Innerhalb von 6-30 Minuten

2 Punkte

Innerhalb von 31-60 Minuten

1 Punkt

Nach 60 Minuten

0 Punkte

Finden Sie es schwierig, an Orten, wo das Rauchen verboten ist, das Rauchen sein zu lassen?

Ja

1 Punkt

Nein

0 Punkte

Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen?

Die erste am Morgen

1 Punkt

Andere

0 Punkte

Wieviele Zigaretten rauchen Sie im Allgemeinen pro Tag?

Bis 10

0 Punkte

11-20

1 Punkt

21-30

2 Punkte

Mehr als 30

3 Punkte

Rauchen Sie am frühen Morgen im Allgemeinen mehr als am Rest des Tages?

Ja

1 Punkt

Nein

0 Punkte

Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüber im Bett bleiben müssen?

Ja

1 Punkt

Nein

0 Punkte

0 bis 2 Punkte: keine oder sehr geringe Nikotinabhängigkeit.
3 bis 4 Punkte: geringe Nikotinabhängigkeit.
5 bis 10 Punkte: mittlere bis hohe Nikotinabhängigkeit.


Nikotinersatztherapie

Das Ende der Nikotinersatztherapie ist analog einer BtM-Substitution individuell ausschleichend je nach der Stabilität während einer längeren Abstinenzphase (mind. 6 Monate) mit dem Patienten zu vereinbaren.

Nikotinersatzpräparate führen über eine Anhebung des Botenstoffs Dopamin zur Abschwächung von Suchtdruck und lindern damit die Entzugssymptome.


Tabakentwöhnung in der Hausarztpraxis

Der Allgemeinarzt Dr. med. Ulf Ratje macht sich in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017) Gedanken zu Kurzberatungstrukturierter Tabakentwöhnung und zu Verhaltenstherapie in der Hausarztpraxis.
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/tabakentwoehnung-in-der-hausarztpraxis-dem-glimmstaengel-entkommen-1837584


Fallbeispiel

Kasuistik 12.6.2-1: Der adipöse Raucher: "Bin wieder rückfällig geworden"

Die Praxis ist brechend voll. Viele Patienten kommen wegen einer Erkältung in die Sprechstunde. Auch der 50-jährige, erheblich adipöse und hypertensive Bauingenieur E. R. wegen „einer leichten Erkältung“. Inspektion der Ohren und des Rachens, Auskultation von Herz und Lunge.

Gesprächsweise bemerkt der Hausarzt: Und über Ihre Pfunde sollten wir uns vielleicht auch wieder einmal unterhalten.
Patient: „Das hat meine Frau auch schon lange gesagt.“

Der Patient kleidet sich wieder an. Der Arzt (mit Blick in die Karteikarte):
Wenigstens rauchen Sie nicht mehr. Zumindest habe ich mir das vor 4 Jahren notiert.
Patient: „Gut, dass Sie das mit den Zigaretten ansprechen. Ich bin wieder rückfällig geworden. Ich sollte tatsächlich wieder mal darüber nachdenken.“

Übung:

Überlegungen und Fragen

  1. Welchen Eindruck macht auf Sie diese Arzt-Patienten-Begegnung?
  2. Wie beurteilen Sie die Compliance des Patienten bezüglich Gewichtsabnahme und Nikotinverzicht?

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