Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
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12.6.3 Drogen und Medikamente

Zusatzinfo

Abdosierung bei Benzodiazepin-Langzeitkonsum

Durch mehrmalige Gabe von Tropfen lassen sich die Spiegelschwankungen möglichst niedrig halten. Die Abdosierungsgeschwindigkeit sollte mit dem Patienten besprochen werden, das Abdosieren selbst schrittweise erfolgen: Reduktionsschritte am Anfang größer, im Verlauf dann langsamer und kleiner. Achtung: Zu schnelles Reduzieren kann deutliche Entzugserscheinungen bewirken, zu langsames Reduzieren birgt das Risiko, dass im Verlauf der Reduktion dem Betroffenen „die Kraft“ ausgeht. Zeithorizont: Ein Fenster zwischen 3 Wochen und längstens 4 Monaten (Holzbach 2009).

Der Psychiater und Kliniker Dr. med. Rüdiger Holzbach beschreibt in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt 2017 mit dem 5- Phasen - Modell die unerwünschten Wirkungen von Benzodiazepinen und Z- Substanzen, deren Symptome mit einem 12 Fragen umfassenden Bogen durch die Patienten selbst ermittelt werden können.
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/benzodiazepine-und-z-substanzen-was-tun-bei-langzeitgebrauch-1819734

Methadon ist in Deutschland das Substitutionsmittel der ersten Wahl, insbesondere wenn mehr als 0,5 g/d Heroin konsumiert werden.

Nach dem Betäubungsmittelgesetz darf ein Patient nur substituiert werden, wenn er mindestens 1 Jahr heroinabhängig war, Missbrauch genügt nicht, es muss eine Abhängigkeit mit täglichem Drogenkonsum bestehen (ZZZ). Heute ist die Medikamenten- und Drogenfreiheit nicht mehr das alleinige primäre Therapieziel, sondern auch der Erhalt der Gesundheit.

Jeder Allgemeinarzt darf ohne besondere Qualifizierung bis zu 3 Substitutionspatienten behandeln und abrechnen. Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Kollegen ist jedoch anzuraten.

Methadon-Substitution

Weitere gesetzliche Voraussetzungen:

  • Regelmäßiges Drogenscreening;
  • Beikonsumfreiheit;
  • persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt mind. 1x/Wo;
  • Festlegung der Therapiedauer;
  • Erstellung eines Etappenziels;
  • psychosoziale Begleitung (in der Regel Sozialpädagoge).

Fallbeispiel

Kasuistik 12.6.3-1: Suizid eines jugendlichen Drogenabhängigen: Warum?

Ein 19-jähriger Patient kommt zum ersten Mal in die Abendsprechstunde eines Allgemeinarztes zu einem von der Drogenberatungsstelle vereinbarten Termin in Begleitung seiner Eltern. Deutliche Entzugserscheinungen, Patient wirkt unruhig. Er berichtet von einer laufenden Einnahme des Opioids Buprenorphin außerhalb einer geordneten Substitution; nach zwei stationären Aufenthalten im Vorjahr konsumiere er wieder illegale Drogen. Der Patient lebt derzeit im Haus seiner Eltern, die über häufige Angstzustände sowie depressive Episoden berichten. Der Patient verlangt mit Nachdruck die sofortige Substitution. Das Drogenscreening in der Praxis war im Urin positiv auf Opiate, negativ auf Buprenorphin, Kokain und Methadon. Damit wurde deutlich, dass die Angaben des Patienten nicht den tatsächlichen Drogenkonsum wiedergegeben hatten. Die Eltern reagierten darauf mit deutlicher Empörung. Für den folgenden Tag sollte nach einer Basisdiagnostik die Aufnahme in ein Substitutionsprogramm erfolgen und ein Therapieplan gemeinsam erstellt werden. Der Allgemeinarzt verordnete Mirtazapin 30 mg. Ende der Konsultation um 19 Uhr. Um ca. 19.45 Uhr holte der Vater Mirtazapin in der Apotheke. Um 20.45 Uhr fand er seinen Sohn erhängt in der Garage. Die Mutter telefonierte am Tag nach dem Tod mit dem Arzt ohne Vorwürfe, aber mit der Frage nach dem „Warum?“.

Fallbeispiel mod. n. Lohnstein 2010

Stichwörter: Jugendlicher Drogenkonsument – Zusammenarbeit von Drogenberatungsstelle und suchtmedizinischem Allgemeinarzt – Suizid – therapeutisches Netzwerk

Kommentar:

Der Suizidtod eines jungen Menschen, der sich in laufender Behandlung befindet, belastet die an der Behandlung Beteiligten. Für diese Fälle soll das vorhandene therapeutische Netzwerk auch zur entlastenden Aussprache zur Verfügung stehen. Dieses geschah zunächst im Gespräch mit dem betreuenden Sozialarbeiter der Drogenhilfe. Hinweise auf Suizidgefährdung ergaben sich weder dort in dem vorbereitenden Gespräch noch im Arztgespräch. In dem berichteten Fall war sicher der familiäre Druck für den Jugendlichen belastend und verstärkte in ihm das Gefühl der Ausweglosigkeit. Im Qualitätszirkel, in welchem sich der Kollege entlasten konnte, wurde darauf hingewiesen, dass einer Hamburger Studie zufolge vor Beginn der Substitutionsbehandlung 43 % der Klienten bereits einen Suizidversuch unternommen hatten. Dieser Fall gehört als offensichtlich unabwendbar gefährlicher Verlauf zu jenen glücklicherweise raren Fällen, die den Behandler lange Zeit verfolgen und belasten.

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