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12.9 Parkinsonsyndrom

Zusatzinfo

Wissenswertes

Das idiopathische Parkinsonsyndrom ist eine Multitransmittererkrankung, deren motorische Störung bevorzugt auf einem Untergang dopaminerger Nervenzellen in der Substantia nigra beruht.


Tabelle. Parkinson-Screening Questionnaire (PSQ) zur Befragung des Betroffenen oder seiner Angehörigen. Beurteilung: ≥ 4 Punkte: wahrscheinlich liegt ein idiopathisches Parkinson-Syndrom vor. (Nikolaus 2002)

Richtige Punktzahl einkreisen

Score (Ja)

1. Haben Sie Mühe, sich von einem Stuhl zu erheben?

=

1

2. Ist Ihre Schrift kleiner als früher?

=

1

3. Hat man Ihnen schon einmal gesagt, dass Ihre Stimme leiser geworden ist?

=

1

4. Ist beim Stehen Ihr Gleichgewicht gestört?

=

1

5. Geschieht es, dass Sie vor Türschwellen und Ähnlichem plötzlich wie erstarrt stehen und Mühe haben, sich wieder in Bewegung zu setzen?

=

1

6. Ist die Ausdruckskraft Ihres Gesichtes schwächer geworden?

=

1

7.       Zittern oder schütteln Sie an Armen und Beinen?

=

1

8.       Haben Sie Mühe mit dem Auf- und Zuknöpfen der Kleidung?

=

1

9.       Ist die Schrittlänge kleiner geworden und ziehen Sie die Füße etwas dem Boden nach?

=

1

Totalscore (Ja = 1 Punkt) (0-9)

=

 


Riechstörung (Hyposmie)

Die beim Parkinsonsyndrom beschriebene Riechstörung beruht auf einem spezifischen Degenerationsprozess im Bulbus olfactorius

Eine Studie legt nahe, dass 10 % der Patienten mit Hyposmie, für deren Genese HNO-Ärzte keine Begründung fanden, nach 2 Jahren ein Parkinsonsyndrom entwickelten. (Berendse u. Ponsen 2006)

REM-Schlafverhaltensstörung

Zu Krankheitsbeginn weisen etwa 20 % aller Parkinsonpatienten eine REM-Schlafverhaltensstörung auf. Umgekehrt entwickeln 45 % der Patienten mit dieser Störung eine weitere neurologische Erkrankung, z. B. ein Parkinsonsyndrom oder eine Demenz. Patienten mit dieser Störung sind während ihrer Träume, d. h. in der REM-Phase des Schlafes, nicht aton, sondern können sich bewegen und damit ihre Bettnachbarn schlagen, weil sie mit bedrohlichen Gestalten während ihrer Alpträume kämpfen und laut vor sich hin sprechen.

(Reichmann 2009)


Übersicht. Mögliche Frühhinweise für ein Parkinsonsyndrom

  • Uncharakteristische Symptome
    -        Allgemeine Leistungsminderung
    -        Lust- und Interessenverlust
    -        Muskelschmerzen
    -        Schwindel
  • Konkrete Frühsymptome
    -        Verminderte Spontanmotorik (evtl. nur an einzelnen Gliedmaßenabschnitten)
    -        Monotone Sprache
    -        Verlangsamte Denk- und Wahrnehmungsfähigkeit (Bradyphrenie)
    -        Depressive Verstimmung
    -        Ruhetremor
  • Vegetative Symptome
    -        Störung der Geruchswahrnehmung
    -        Unwohlsein und Übelkeit (verlängerte Magen-Darm-Passage)
    -        Fettig werdende Haut (Salbengesicht)
    -        Gestörte Thermoregulation
    -        Vermehrte Speichelbildung
    -        Schluckstörung
    -        Verstopfung
    -        Mangelnde Kontrolle der Blasenfunktion
    -        Störung der Sexualfunktion
    -        Kreislaufregulationsstörungen (niedrige Blutdruckwerte, Schwindel)
    -        Schwierigkeiten mit der Atmung
  • Sozialer Rückzug

Depressive Symptome

Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten maßgeblich und gehen nicht selten der motorischen Symptomatik im Krankheitsverlauf voraus. Selbst unter antidepressiver Therapie dauern diese Symptome bei bis zu 44,1 % der Parkinsonpatienten an.

(Krüger u. Weiss 2011)


On-Off-Phänomen

Die Patienten beschreiben ein Nicht-von-der-Stelle-Kommen, Am-Boden-kleben-bleiben oder ein plötzliches „Einfrieren ihres Ganges“ (z. B. Ampelsituation oder beim Durchtreten einer Tür). Vor Einsetzen und nach Überwindung der Blockade kann die Motorik vollkommen unauffällig sein. Das Trippeln der Beine auf der Stelle ohne Vorwärtsbewegung oder mit kompletter Akinesie ohne Beinbewegung beim Freezing wird von Laien nicht verstanden und stigmatisiert die Betroffenen.

(Ceballos-Baumann 2009)


Umfangreich ist das Spektrum der nichtmedikamentösen Maßnahmen:

  • regelmäßige sportliche Aktivitäten (z. B. Wandern, Schwimmen, Ballspiele, Tennis, Tischtennis),
  • tägliche Bewegungsübungen (1- bis 2-mal täglich 15- bis 20-min-Übungsprogramm),
  • Einzelgymnastik mit einem Therapeuten (1-mal wöchentlich; zur Überprüfung und Ergänzung des täglichen Übungsprogramms),
  • Ergotherapie,
  • Logopädie (bei Sprech- bzw. Schluckstörungen).

Sehr wertvoll und beliebt sind Parkinson-Selbsthilfegruppen.


Nachtrag: (evtl. nach oben)

Zittern der Hände wird häufig fehlgedeutet oder löst gar Panik aus. Natürlich denken Patient und Arzt an einen Morbus Parkinson, wenn der Tremor als Symptom überwiegt; drei Viertel aller Patienten mit idiopathischem Parkinsonsyndrom sind von einem meist asymmetrisch ausgeprägten Tremor betroffen. Die Masse der Fälle betrifft den »senilen« Tremor; daneben gibt es weitere Tremorformen:

  • Ruhetremor: 4–8 s, anfänglich einseitig. Abzugrenzen vom essenziellen (auch familiären) Tremor, der bei 2 oder mehreren Familienangehörigen auftritt, immer beidseitig ist und den Kopf im Sinn eines Ja- oder Nein-Tremors betreffen kann. Tritt dieser Tremor erst im Alter auf, heißt er seniler Tremor.
  • Haltetremor: 8–10 s symmetrisch; auch an Alkoholentzugsdelir oder Schilddrüsenüberfunktion denken!
  • Intentionstremor: kleinhirnbedingt. Zitterbewegungen nehmen kurz vor Erreichen des Ziels (z. B. beim Finger-Nasen-Versuch) zu.

 

Zusammenarbeit
Die Tremordiagnostik erfolgt im spezialistischen Bereich.

Alle organischen Tremorformen verstärken sich bei psychischem Stress, ohne dass es sich dabei um einen psychogenen Tremor handelt. Tremor kann aber auch psychogene Ursachen haben.

Psychogener Tremor

Diese Tremorform lässt sich oft unterbrechen durch Ablenkungsmanöver, z. B. wenn die kontralaterale Hand repetitive Willkürbewegungen ausführen soll, oder bei mentaler Belastung Kopfrechnen, was man bei den organischen Tremorformen nicht sieht. Trotz des in der Sprechstunde oder bei der Notfallkonsultation sehr auffälligen Tremors ist es dem Patienten scheinbar gelungen, sich zu rasieren oder das Essen ohne zu kleckern einzunehmen. Hilfreich kann auch eine elektrophysiologische Tremoranalyse sein.

(Eschle u. Jenni 2009)


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