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13.2.5 Kopfschmerzen als Notfall

Zusatzinfo

Tabelle. Beispiele für rasche Zusammenarbeit mit Spezialisten in Praxis und/oder Klinik bei Kopfschmerzen

  • Erstmanifestation einer Migräne mit untypischem Kopfschmerz oder untypischen Begleitsymptomen
  • Migräne mit untypischer (insbesondere persistierender) Aura, jede Form der Migräne mit hemiplegischer Aura
  • Erstmanifestation einer typischen Migräne jenseits des 40. Lebensjahrs
  • generelles morgendliches Erbrechen mit im Tagesverlauf zunehmendem Kopfschmerz
  • Kopfschmerzen, die mit psychischen oder kognitiven Veränderungen einhergehen
  • Kopfschmerzen zusammen mit Abgeschlagenheit, Fieber, einem Durchgangssyndrom oder Meningismus, besonders bei immunsupprimierten Patienten
  • Kopfschmerzen, die sich über mehrere Tage entwickeln und ggf. mit Übelkeit oder Lichtempfindlichkeit einhergehen (möglicherweise intrazerebrale Raumforderung)

 

Migräne oder Schlaganfall?

Der neurologische Chefarzt und ständige Autor der Zeitschrift Der Allgemeinarzt Dr. med. Carsten Isenberg warnt vor der "vorschnellen Schublade Migräne".
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1747780


Fallbeispiel

Kasuistik 13.2.5-1: Subarachnoidalblutung

(Subarachnoidalblutung – Fall aus GA Dr. H.)

Kasuistik 13.2.5-2: „Die Kopfschmerzen nehmen langsam zu“

Klagt der Patient über einen allmählich über Stunden bis Tage entstandenen mittelschweren bis starken Dauerkopfschmerz, so sollte der Hausarzt wegen möglicher verschiedenartiger intrakranieller Prozesse hellhörig werden.

Kommentar:

Subdurale Hämatome können langsam über Stunden und Tage entstehen und sind sozusagen die Differentialdiagnose zum Spannungskopfschmerz. Zudem ist an Meningitis, Tumoren, intrazerebrale Blutungen oder eine (Pan)-Sinusitis zu denken. Epidurale Hämatome sind eher traumatisch und haben eine Anamnese innerhalb von Stunden.

Kasuistik 13.2.5-3: „Seit heute Nacht heftige Kopfschmerzen“

Eine 37-jährige Verkäuferin berichtet in der Vormittagssprechstunde: „Ich habe seit heute Nacht heftige Kopfschmerzen und erbreche auch dabei. Ich hatte zwar schon öfter Kopfschmerzen, so stark aber noch nie. Und sie sind schlagartig aufgetreten.“

Kommentar:

Bei einer derartigen Konstellation muss man immer von einer subarachnoidalen Blutung ausgehen. Die SAB auszuschließen ist eine der größten Schwierigkeiten beim akut aufgetretenen Kopfschmerz. Hier kommt der Arzt nicht um ein CT herum. Ebenso könnte auch eine intrazerebrale Blutung oder eine Sinusvenenthrombose hinter diesem Beschwerdebild stecken. Jedenfalls muss die Verkäuferin sofort in die Klinik, da die Nachblutungsgefahr bei einer SAB sehr hoch ist. Die Letalität einer ersten SAB beträgt rd. 30 %, die einer zweiten SAB 70 %. SAB-Kopfschmerz und Migränekopfschmerz können sehr ähnlich sein. Auch vegetative Begleitsymptome treten sowohl bei der SAB als auch bei einer Migräne auf.

Kasuistik 13.2.5-4: „Ich halte es nicht mehr aus, auch wenn ich mich hinlege“

Die 40-jährige Hausfrau steht nach der Trennung vom Partner als alleinerziehende Mutter mit Sozialhilfe unter einer starken psychosozialen Belastung. Seit einigen Tagen fühlt sie sich abgeschlagen und müde. Seit 2 Tagen hat sie ihre üblichen starken Kopfschmerzen, Herumgehen ist ihr unangenehm. Sie ist licht- und lärmempfindlich. Sie ruft in den Morgenstunden den Notfallarzt an, da sie es nicht mehr aushalte, auch wenn sie sich hinlege. Bei der Untersuchung verhält sie sich wehklagend, der Neurostatus ist normal, ebenso der Allgemeinstatus. Die Patientin wird am Morgen als erste in die Praxis bestellt: Hier findet sich kein Meningismus. Blutbild, BKS, CRP sowie Urinstatus sind normal. Die Hausärztin veranlasst ein kraniales CT: Hier zeigt sich eine Thrombose des Sinus sagittalis und transversus rechts bis zur Vena jugularis. Eine venöse Infarzierung liegt nicht vor. Sofortige Krankenhauseinweisung.

Kommentar:

Ausschlaggebend war hier zunächst die Anamnese. Bekannt sind bei der Patientin Kopfschmerzen, aber jetzt ist es seit 2 Tagen einerseits zu einem Crescendo der Symptomatik gekommen, andererseits hat sich am Beschwerdebild etwas geändert, indem die Kopfschmerzen auch nachts im Liegen anhalten. Beides sind Warnzeichen. Die Sinusvenenthrombose betrifft häufig junge Erwachsene und Kinder, Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer. Schwangerschaft, Puerperium oder die Einnahme von oralen Kontrazeptiva erklären das Überwiegen beim weiblichen Geschlecht. Die Inzidenz nimmt wegen vermehrter Wahrnehmung und verbesserter Bildgebung zu. Häufigstes Symptom sind Kopfschmerzen (bei 90 %), die entweder langsam progredient oder perakut sein können. 10 % der Patienten hatten keine Kopfschmerzen, bei 40 % sind sie einziges Symptom. Fokale neurologische Zeichen sind bei der Hälfte der Betroffenen zu finden, 40 % erleiden epileptische Anfälle, die je zur Hälfte partiell oder generalisiert sind. Kognitive Symptome, Vigilanzstörungen bis hin zum Koma sowie Hirndruckzeichen kommen vor. Die Sensitivität der MRI ist etwas höher als die des CT.

Bei Therapie mit Liquimin kam es innerhalb von Stunden zur Remission der Kopfschmerzen. In der Folge war der Verlauf komplikationslos. Eine Antikoagulation schloss sich für 6 Monate an.

(Prof. Dr. med. H. Jung, Neurolog. Klinik, Univ.-Spital Zürich)

Kasuistik 13.2.5-5: Erst die Migräne, dann ein hängendes Augenlid

Bei dem 45-jährigen Arzt ist etwa seit dem 20. Lebensjahr eine Migräne ohne Aura bekannt. Nach einem Transatlantikflug über Nacht ist er mit typischer Migräne aufgewacht. Es handelte sich um einen rechtsseitigen periorbitalen mittelstarken Schmerz, begleitet von Photo- und Phonophobie. Beim Rasieren zu Hause bemerkt der Patient eine kleinere Pupille sowie ein hängendes Augenlid rechts und sucht sofort eine Notfallambulanz im Spital auf.

Kommentar:

Der periorbitale Kopfschmerz und das Horner-Syndrom legen den Verdacht auf eine Karotisdissektion nahe, die im Ultraschall vermutet und mittels MRI bestätigt wurde. Das Horner-Syndrom erklärt sich durch eine Schädigung der aufsteigenden sympathischen Nervenfasern in der Gefäßwand der Karotis. Bei spontanem Auftreten ist die Ursache unbekannt, diskutiert wird eine Bindegewebsstörung. Es gibt auch Berichte über exogene Ursachen wie direkte oder indirekte Traumata (v. a. Manipulationen an der Halswirbelsäule, Fußballspiel, Autounfall). Ein Rezidiv soll in ungefähr 10 % der Fälle vorkommen. Eine Gefäßdissektion ist nur eine Möglichkeit unter vielen Ursachen für sekundäre Kopfschmerzen.

(Prof. Dr. med. H. Jung, Neurolog. Klinik, Univ.-Spital Zürich)

Kasuistik 13.2.5-6: Extremie Hemikranie: Triptan hatte zunächst geholfen

Die 69-jährige Patientin hat hin und wieder Migräne ohne Aura. Heute leidet sie an einer extremen Hemikranie ohne Begleiterscheinungen und erscheint deshalb notfallmäßig in der Hausarztpraxis. Unter der Annahme einer atypischen Migräne erhält sie ein Triptan, das zur Besserung führt. Nach Stunden hat sie erneut starke Schmerzen und erscheint auf der Notfallstation der Klinik.

Kommentar:

Hier muss der Gedanke sofort auf eine Subarachnoidalblutung fokussieren. Zu einer Warnblutung kommt es bei 20-50 % der Betroffenen. Meist geschieht dies im Monat vor der Subarachnoidalblutung. 20 % der Patienten versterben vor Erreichen des Spitals. Die Symptomatik kann sehr unterschiedlich sein. Ein Drittel der Betroffenen leidet nur an isolierten Kopfschmerzen, bei zwei Dritteln liegen zusätzliche Symptome wie Nausea, Nackenschmerzen sowie visuelle oder sensomotorische Störungen vor. Dass ein Kopfschmerz bei Subarachnoidalblutung vorübergehend auf Triptane reagiert, ist nichts Ungewöhnliches.

(Prof. Dr. med. H. Jung, Neurolog. Klinik, Univ.-Spital Zürich)

Kasuistik 13.2.5-7: Kopfschmerzen, Fieber und Gewichtsverlust

Bei einer 45-jährigen Patientin bestehen seit einigen Wochen rezidivierende subfebrile Temperaturen. Zudem klagt sie über linksbetonte Kopfschmerzen mit Gewichtsverlust und allgemeiner Schwäche. Die neurologische Untersuchung ergibt eine leichte Hemisymptomatik rechts. BKS und CRP sind deutlich erhöht. Das kraniale CT ergibt multiple Abszesse, die von einer Endokarditis lenta der Aortenklappe ausgehen.

(Prof. Wiethölter, MMW-Fortschr Med 10/2008

Kasuistik 13.2.5-8: Grippesymptome und zunehmende Kopfschmerzen

Ein 65-jähriger Mann sucht seine Hausärztin wegen zunehmender Kopfschmerzen auf: Die Schmerzen haben vor ca. 1 Woche rechtstemporal begonnen. Inzwischen seien sie jedoch beidseitig. Zusätzlich werden grippeähnliche Symptome geklagt. Zwei Tage später kommt es zu Sehstörungen. Die weitere Untersuchung ergibt eine Arteriitis temporalis.

(Prof. Wiethölter, MMW-Fortschr Med 10/2008

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