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13.4 Schlafstörungen

Zusatzinfo

Wissenswertes

Schlafstörungen gehören zu den häufigsten BEs der Allgemeinpraxis (Rang 28 bzw. 16 bzw. 20 im Krankengut der 70er- bzw. 80er- bzw. frühen 90er-Jahre). Meist wird das Problem obendrein nur als Rezeptwunsch präsentiert. Der Patient ist oft von falschen Vorstellungen über das Ausmaß des Schlafes geleitet. Er beklagt, dass er die ganze Nacht wach im Bett liege, jeden Glockenschlag höre usw. Es handelt sich z. T. um ältere Menschen, die tagsüber zu viel schlafen, wodurch ihnen am Abend die Müdigkeit fehlt, oder die schon sehr früh ins Bett gehen (Langeweile als soziales Problem).

Die Prävalenz der schweren Insomnie – d. h. nicht erholsamer Nachtschlaf sowie ausgeprägte Tagesbeeinträchtigung treten gleichzeitig auf – beträgt nach einer europaweiten Studie 4 % in der Allgemeinbevölkerung.


Was ist normal? Was stört den Schlaf?

Die Psychiater Dr. med. Frase und Prof. Dr. med. Nissen entwickeln in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017) diagnostische Pfade bei Schlafstörungen; dabei sollten auch psychische ErkrankungenSchlaf-Apnoe-Syndrom und Narkolepsie bedacht werden.
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/schlafstoerungen-diagnostische-pfade-1840487
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/nachts-kommt-das-grauen-1740254


Alpträume

Traumataakute StressbelastungPersönlichkeitsbezüge, bestimmte Medikamente und Drogen können Auslöser sein, wie der Düsseldorfer Klinische Psychologe Prof. Dr. med. Pietrowski in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017) schreibt. Alpträume kann man aber behandeln.
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/erholsamer-schlaf-alptraeume-lassen-sich-behandeln-1840500


Verhaltenstherapie oder Medikamente?

zur Behandlung von Schlafstörungen, fragt der Psychotherapeut PD Dr. Dr. Spiegelhalder in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017)
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/schlafstoerungen-verhaltenstherapie-oder-medikamente-1840498


Schlafstörungen im Alter

So groß die Zahl der Schlafstörungen - so vielfältig auch die Therapie, schreiben Dr. med. Schlitzer und PD Frohnhofen in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt 2016.
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1797018


Die wichtigsten verhaltenstherapeutischen Behandlungsmethoden:

  • Schlafhygiene,
  • Stimuluskontrolle,
  • kognitive Therapie,
  • Entspannungsverfahren,
  • Schlafrestriktion.

Grundprinzipien der Stimuluskontrolle

  • Einhalten der Regeln der Schlafhygiene
  • nur zu Bett gehen, wenn Schlaf gewünscht ist
  • Unterlassen von anderen Tätigkeiten im Bett (Lesen, Arbeiten, Fernsehen, etc.)
  • Bett verlassen, wenn Schlaf nicht innerhalb von 30 Minuten eintritt
  • erneutes Aufsuchen des Bettes, wenn der Eintritt des Schlafes innerhalb von 30 Minuten erwartet wird
  • Wiederholung dieses Verhaltens in der Nacht, so oft erforderlich
  • Aufstehen am Morgen zu einer festen Zeit – unabhängig vom vorangegangenen Nachtschlaf

Der rasche Griff zum Rezeptblock löst langfristig nicht das Problem der Schlafstörung. Gerade der Hausarzt sollte in der Langzeitbetreuung seiner Patienten mit Schlaf störung verschiedene Tipps und Regeln zur Schlafhygiene zu vermitteln versuchen. Hier einige Beispiele:

  • Das Schlafdefizit ist meist geringer, als es vom Schlafgestörten vermutet wird.
  • Ein entspanntes Im-Bett-Liegen ohne Schlaf besitzt durchaus erholende Wirkung.
  • Mahlzeiten: abends nur leichte, evtl. frühzeitig eingenommene Mahlzeiten.
  • Regelmäßigkeit: zur gleichen Zeit zu Bett gehen und am Morgen aufstehen.
  • Einschlafritual: Monotonie hilft beim Einschlafen.
  • Körperliche Tätigkeit fördert Müdigkeit. Ab dem späten Nachmittag keine geistigen Spitzenleistungen, dafür Abendspaziergang.
  • Kaffee, Tee und andere Stimulanzien können stören, Alkohol kann das Einschlafen erleichtern, jedoch den Schlafrhythmus beeinträchtigen.
  • Lieber aufstehen, lesen, Radio hören oder fernsehen, als sich stundenlang im Bett wälzen.
  • Training des vegetativen Nervensystems: warm und/oder kalt duschen.
  • Schlafzimmer: wohliges, nicht zu weiches Bett, Dunkelheit, Ruhe.
  • Das über 15–30 min ausgedehnte Mittagsschläfchen programmiert die abendliche Schlafstörung.
  • Erwartungsvolles Einschlafenwollen kann die Schlafstörung verstärken. Die paradoxe Intention: »Ich will gar nicht einschlafen« kann den Terror der Erwartungshaltung durchbrechen helfen.
  • Der Patient sollte die Schlafstunden nicht nachrechnen.
  • Die Aufmerksamkeit soll sich nicht auf das nächtliche Wachliegen konzentrieren, sondern auf die Bejahung des Wachseins am Tage.
  • Wird Schlaf vom Organismus dringend benötigt, so setzt er sich auch gegen den Willen des Betroffenen durch.

Pflanzliche Präparate

z. B. Baldrian (Valeriana officinalis), Hopfen (Humulus lupulus), Melisse (Melissa officinalis), Passionsblume (Passiflora incarnata).

Durch Medikamente kann der Schlaf vorübergehend bestenfalls »geborgt« werden. Nach Absetzen des Präparates muss die Schuld durch zeitweilige Schlafverminderung gleichsam zurückgezahlt werden.

Pflanzliche Arzneimittel, die bei Schlafstörungen Verwendung finden (Invernizzi: Schweiz Zeitschr Psychiatrie u Neurologie 2/2011)

Baldrianwurzel
(Valerianae radix)

  • Ein- und Durchschlafstörungen sowie unruhiger Schlaf
  • beruhigend, schlaffördernd (Adenosin-Rezeptor-Agonist)
  • z. B. Euvegal®, Dolestal® Baldrian oder Baldrian-Hopfen-Kombipräparate (z. B. Allunapret®)

Hopfenzapfen
(Lupuli strobuli)

  • Ein- und Durchschlafstörungen sowie unruhiger Schlaf
  • beruhigend, schlaffördernd (Melatonin-Rezeptor-Agonist)
  • siehe Baldrianwurzel

Melissenblätter
(Melissae folium)

  • Einschlafstörungen
  • spasmolytisch, anxiolytisch (cholinerge Rezeptor-Bindungs-Aktivität)
  • derzeit nur als Kombipräparat mit anderen Phytopharmaka erhältlich (z. B. Euvegal®, Pascosedon® Filmtabletten, Sedacur® forte Beruhigungsdragées)

Passionsblumenkraut
(Passiflorae herba)

  • nervöse Unruhezustände
  • spasmolytisch, anxiolytisch (GABAa-Rezeptor-vermittelt)
  • siehe Melissenblätter
  • z. B. Hoggar® Balance überzogene Tabletten, Pascoflair®, Passidon®

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