15.1.3 Salutogenetische Ressourcen
Zusatzinfo
Wissenswertes
Eine der von Antonowsky untersuchten Frauen aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen hatte sich in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager befunden. Ihr psychischer und körperlicher Gesundheitszustand wurde mit dem einer Kontrollgruppe verglichen. Unerwarteterweise wurden weitere 29 % der Frauen trotz des KZ-Grauens (im Gegensatz zur Kontrollgruppe mit 51 %) als körperlich und psychisch „gesund“ beurteilt. Antonovsky postulierte die Existenz generalisierter Widerstandsressourcen, die in Situationen aller Art zur Unterstützung der Bewältigung von Stressoren und das durch sie hervorgerufene Spannungserleben eingesetzt werden können.
Literatur (beispielhaft): Wydler, Kolip, Abel (Hrsg) Salutogenese und Kohärenzgefühl. Grundlagen, Empirie und Praxis eines gesundheitswissenschaftlichen Konzepts. Juventa. 4. Aufl., Weinheim 2010
Salutogenetisches Modell |
Pathogenetisches Modell |
Stimmigkeit – Kohärenz |
Problem – Unstimmigkeit |
Attraktive Gesundheitsziele |
Vermeidungsziele |
Ressourcen |
Defizite |
Subjekt und Subjektives |
Norm |
Mehrere Möglichkeiten: sowohl – als auch |
Eine Möglichkeit: entweder – oder |
(mod. http://www.salutogenese-zentrum.de)
Stressoren
Nach Antonovsky sind Stressoren „eine von innen oder von außen kommende Anforderung an den Organismus, die sein Gleichgewicht stört und die zur Wiederherstellung des Gleichgewichts eine nicht automatische und nicht unmittelbar verfügbare, Energie verbrauchende Handlung erfordert“. In den Industriestaaten sind psychosoziale Stressoren von besonderer Bedeutung. Antonovsky geht davon aus, dass Menschen mit einem hohen SOC auf bedrohliche Situationen eher mit situationsangemessenen und zielgerichteten Gefühlen reagieren, z. B. mit Ärger um einen bestimmten Sachverhalt. Personen mit einem niedrigen SOC tendieren eher mit diffusen, schwer zu regulierenden Emotionen, z. B. mit blinder Wut. Sie werden handlungsunfähig, da ihnen das Vertrauen in die Bewältigung des Problems fehlt.
Resourcen vs. Symptome
Fallbeispiel
Kasuistik 15.1.3-1: Koronarer Bypass und Salutogenese
Wenn ein Mann von 50 Jahren einen koronaren Bypass erhält, wird sich der Arzt, und der Hausarzt insbesondere, immer fragen: „Was macht diesen Menschen krank?“ Im Sinne des salutogenetischen Prinzips würde der Arzt weiter denken: „Wie kann dieser operierte Patient sein Leben auf die Zukunft hin realistischer gestalten? Kann er die Belastungen für sein Herz künftig besser einschätzen?“ Vor allem aber: „Welchen Sinn sieht er darin, dass ihm jetzt die Möglichkeit gegeben ist, jetzt wieder mit seinem Herzen zu leben, von dem er schon dachte, es würde absterben?“
Der Marburger Psychosomatiker Wolfram Schüffel berichtet von einem Schrittmacherpatienten, der ihm sagte: „Ich will durch den Schrittmacher nicht weiter durchs Leben gepeitscht werden.“ Schüffel fragt übrigens jeden seiner Patienten: „Wann haben Sie sich das letzte Mal gesund gefühlt?“ Durch eine solche Frage grenzt sich der Arzt vom herkömmlichen Betrieb und der Einengung durch die Frage ab: „Wann hat eigentlich die ganze Krankheit angefangen?“ Durch die erste Frage erfährt der Arzt automatisch, unter welchen Umständen der Mensch (noch) in der Balance war und er erfährt aber ebenso, woran er krank wurde.
Die salutogenetische Dimension pflegen heißt, die Gesundheit fördernden, die präventiven, die regulativen, die adaptativen Potenzen des Menschen und seine phänomenalen Selbstheilkräfte neu entdecken, zu berücksichtigen und zu unterstützen (Nager 1977).