Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
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15.8.6 Reisemedizinische Beratung

Zusatzinfo

Wissenswertes 

Die stetige Zunahme der Reisetätigkeit und Migration hat unmittelbare Folgen gerade auch für den Hausarzt durch seine zentrale Stellung in der Primärversorgung. Als betreuender Arzt kennt er die Vorerkrankungen seiner Patienten und wird als Berater in vielerlei Gesundheitsfragen konsultiert. In der Regel ist er auch die erste Anlaufsstelle bei körperlichen Beschwerden. Im Zusammenhang mit reisemedizinischen Fragestellungen werden ihm zunehmend besondere Kenntnisse abverlangt. Eine repräsentative Querschnittsstudie des RKI (2003) untersuchte u.a. das

- reisemedizinische Leistungsspektrum (Prävention/ Rückkehrer- Check-ups/ Kuration),
- Themen der reisemedizinischen Beratung,
- häufige Erkrankungen von Reiserückkehrern.
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2003/Ausgabenlinks/16_03.pdf?__blob=publicationFile

Die reisemedizinische Beratung für Fernreisen sollte mindestens 6 Wochen (in speziellen Fällen sogar ca. 2 Monate) vor Reiseantritt erfolgen.
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2003/Ausgabenlinks/16_03.pdf?__blob=publicationFile

 

Reisediarrhö

Definition: Durchfallerkrankung, die am Ort der Reise auftritt und mit mehr als  3 durchfälligen Stühlen/ 24 h einhergeht (Höffler 2015), in seltenen Fällen mehr als 10 x (L.Kollaritsch, Inst. f. Spez.Prophylaxe und Tropenmedizin, Wien, 2016). Ein Drittel hat zudem auch Kreislaufprobleme.
Therapie: Die Erreger stören primär die Aufnahme von Flüssigkeit aus dem Darm und setzen den Energiestoffwechsel nach dem Eindringen der Toxine in die Darmendothelzellen außer Kraft. Die Zellerneuerung erfolgt im Darm recht rasch, die Bakterien gehen per via naturalis ab.Die Diarrhö ist somit selbstlimitierend.Daher ist es meist ausreichend, abwartend offen zu bleiben und nicht immer gleich Loperamid im Übermaß anzuwenden . Bei wässriger Diarrhö können bei Bedarf Antibiotika (Azitromyzin, Ciprofloxazin, Rifaximin) über 3 Tage in Kombination mit Motilitätshemmern (gelatinetannat, Loperamid bzw. Racecodril) gegeben werden (Kollaritsch).
http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201504/154.pdf
 

Tab. Häufigste Erkrankungen von Reiserückkehrer nach Angaben befragter Hausärzte, RKI-Studie, Deutschland 2001 (n=1320) 

Darmerkrankungen z.B. (Reise-) Diarrhoe

88,4%

Fieber nach Tropenaufenthalt (Malaria-Ausschluss!)

37,6%

Atemwegserkrankungen z.B. Bronchitis

27,1%

Hauterkrankungen z.B. Dermatitis, Sonnenallergie, Infizierte Insektenstiche

25,2%

 

Zahlreiche Profit- und Non-Profit- Einrichtungen/ Institute stehen dem Hausarzt mit exakten Auskünften auch zu speziellen Fragen der Reiseberatung zur Verfügung. Eine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

https://www.bnitm.de/reisen-impfen/
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/R/Reiseassoz/reisemed_Beratung.html
http://www.tropenmedizin.de/
https://www.crm.de/beratungsstellen/index.asp
https://www.dkv.com/gesundheit-reisemedizin-beratung-16174.html
http://www.betriebsarzt.med.uni-goettingen.de/de/content/angebote/196.html
https://www.uniklinik-freiburg.de/infektiologie/tropen-und-reisemedizin.html
http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201504/154.pdf


Impfung gegen Gelbfieber
http://tropeninstitut.de/impfung/gelbfieber.php
http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/G/Gelbfieber/Gelbfieber.htm
http://www.internisten-im-netz.de/de_was-ist-gelbfieber_1216.html
 

Immer an Malaria denken

Die Zeit zwischen der Einreise ins Malariagebiet und einer möglichen Malaria beträgt in der Regel nicht unter 7 Tage (Inkubationszeit).Nahezu 100 % der Falciparum-Malaria-Fälle bei nicht immunen Reisenden treten innerhalb von 4 Monaten nach der Rückkehr auf. Episoden von Malaria tertiana und quartana können auch noch später und trotz einer korrekt durchgeführten Prophylaxe auftreten. Sie verlaufen aber im Allgemeinen nicht lebensbedrohlich, anders als die Falciparum-Malaria. Bei unklarem Fieber sollte gezielt nach einem Tropenaufenthalt gefragt werden (Rothe et al 2019).


Tauchmedizinische Untersuchung

Die Professoren Tetzlaff und Muth befassen sich in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017) ausführlich mit Voraussetzung, Durchführung und Untersuchungsintervallen der Tauchtauglichkeitsuntersuchung (TUU). Der Regensburger Allgemeinarzt und GTÜM-Taucharzt Dr.med. Harald Lettl beantwortet in einem Interview die Frage, ob auch Menschen, die „nur“ schnorcheln wollen, eine TTU benötigen.
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/was-umfasst-das-tauch-attest-1815337
 

Ertrinken, Unterkühlung, Tauchunfälle

Das Management des Tauchunfalls ist Gegenstand der Kollegen Tetzlaff und Muth in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2012).
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/ertrinken-unterkuehlung-tauchunfaelle-1562579
 

Tauchen in tropischen Gewässern

Was sollte der Hausarzt über das Sporttauchen (SCUBA - self-contained underwater breathing apparatus) in tropischen Gewässern in der Beratung seiner Klienten wissen, fragt Dr. med. Kay Tetzlaff in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2010)?
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/was-ist-beim-tauchen-zu-beachten-1563806


Barotrauma beim Fliegen

Welche physikalische oder medikamentöse Prophylaxe gegen "Druck im Ohr" beim Fliegen kann der Hausarzt empfehlen? Was machen Piloten? Jens Bielenberg dazu in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017).
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/druck-vom-ohr-nehmen-1815333
 

Fit to Fly?

Die European Lung Foundation bietet einige Hilfestellungen für Patienten mit Lungenerkrankung an.
http://www.europeanlung.org/en/lung-disease-and-information/air-travel/fit-to-fly
 

Betreuungshinweise für Fluggäste mit Unterstützungsbedarf

Die Lufthansa hält ein  Formular für diese Personengruppe bereit, mit dem sich der betreuende Arzt über die medizinischen Flugreisetauglichkeit informieren kann. Bei gewissen Erkrankungen (z.B.  Herz-/ Lungenerkrankungen, Schlaganfall usw.), Verletzungen nach Unfällen oder chronischen Leiden ist eine Beurteilung der Flugreisetauglichkeit durch den Medizinischen Dienst bei Lufthansa einzuholen.
http://www.lufthansa.com/mediapool/pdf/84/media_1603265584.pdf

 

Übersichtsbeiträge "Reisemedizin"

In der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2010 - 2016) finden sich verschiedene Übersichtsarbeiten von der Reiseapotheke, über die Gefahren durch Tuberkulose, Malaria, Polio, über den "Notfall an Bord" bis hin zu exotischen Infektionen oder Parasitosen der Leber:

http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1656418
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1657238
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1576313
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1582665
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1571754
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1571771
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1562528
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1563588
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1563976
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1564173
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1768838
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1761371
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1563756


Fallbeispiel

Kasuistik 15.8.6-1: Blutarmut: "Darf ich fliegen?

Ein Rentnerehepaar verbringt seit 15 Jahren jedes Jahr den Urlaub im gleichen Hotel in Fuerteventura. Beide planen nun erneut eine 3-wöchige Reise mit Flug nach Fuerteventura. Die Frau ist 70 Jahre alt und gesund, der Mann 74 Jahre und leidet seit einem Schlaganfall vor 5 Jahren an einer spastischen Hemiparese rechts. Weiterhin besteht ein Myelodysplastisches Syndrom mit Transfusionsbedarf alle 3Wochen. Der aktuelle Hämoglobinwert beträgt 7,8 mg/dl : Die Frau: "Darf mein Mann fliegen?"

Kommentar:

Wegen des verminderten Kabinendruckes in Linienflugzeugen muss der Hämoglobinwert bei mind. 9,0 g/dl liegen. Dies gilt sowohl für den Hin- als auch für den Rückflug. Das Ehepaar möchte auf Fuerteventura keine Bluttransfusion durchführen lassen. Da in den letzten 6 Monaten der Hämoglobinwert alle 3 Wochen auf unter 8 g/dl gefallen ist, werden in der Woche vor dem Flug 3 Erythrozytenkonzentrate transfundiert. Nach den Transfusionen beträgt der Hämoglobinwert 11,7 g/dl. Die Reise wird wie geplant angetreten und verläuft einschließlich des Rückfluges problemlos.
Eine Auffrischimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis ist angezeigt, wenn diese Impfungen mehr als 10 Jahre zurückliegen. Falls kein Impfschutz besteht, wird eine Impfung gegen Hepatitis A empfohlen, ferner wegen des hohen Lebensalters und der hämatologischen Grunderkrankung eine Influenzaimpfung (jährlich wiederholen) sowie eine Pneumokokkenimpfung. Dies hat im Zusammenhang mit der Reise eine besondere Relevanz: In Spanien treten vermehrt peni­zillin- und makrolidresistente Pneumokokkenstämme auf.

(Leischker A H (2016) Reisemedizin- Sprechstunde. Vion Fall zu Fall entscheiden. Der Allgemeinarzt 35:14 -18)

Kasuistik 15.8.6-2: Lange Flugreise mit Thrombophilie

Eine 30-jährige Lehrerin plant eine Flugreise nach Australien. Ihre Schwester hat im Alter von 20 Jahren eine tiefe Beinvenenthrombose erlitten. Daraufhin wurde bei der Lehrerin der Faktor V Leiden bestimmt: Sie ist für dieses Gen heterozygot. Sie selbst hat bisher keine thromboembolischen Ereignisse gehabt. Sie nimmt ein orales Kontrazeptivum ein und ist Nichtraucherin.

Kommentar:

Durch die Thrombophilie und die Einnahme oraler Kontrazeptiva besteht ein mittleres Thromboserisiko. Das Tragen von Kompressionsstrümpfen reduziert nachweislich das Thromboserisiko auf Langstreckenflügen und wird der Patientin empfohlen. Weiterhin ist nachgewiesen, dass sich bei Passagieren, die im Flugzeug auf einem Gangplatz sitzen, seltener tiefe Beinvenenthrombosen entwickeln. Das Thromboserisiko in der Business-Class unterscheidet sich dagegen entgegen einer landläufigen Meinung nicht von dem Thromboserisiko von Passagieren der Economy-Class. Der Reisenden wird deshalb empfohlen, rechtzeitig einen Sitzplatz am Gang zu buchen. Weiterhin sollte die Reisende das orale Kontrazeptivum eine Woche vor dem geplanten Flug absetzen. Für die Gabe eines niedermolekularen Heparins zur Prophylaxe von Reiseve­nenthrombosen existieren dagegen weder Studien mit ausreichender Fallzahl noch eine Zulassung.

(Leischker A H (2016) Reisemedizin- Sprechstunde. Vion Fall zu Fall entscheiden. Der Allgemeinarzt 35:14-18)

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