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3.1.5 Fazialisparese

Zusatzinfo

Wissenswertes

Nikolaus Anton Friedreich (1761-1836) legte bereits 1797 der Universität Würzburg eine Habilitationsschrift „De paralysi musculorum faciei rheumatica“ vor, die im Folgejahr in deutscher Übersetzung und 1801 in England publiziert wurde. Friedreich hat vermutlich als Erster die periphere Fazialisparese erkannt und von der zentralen Parese abgegrenzt. Ob eine „idiopathische“ Fazialisparese überhaupt existiert, muss angezweifelt werden. Kalkuliert man ein individuelles Risiko, so besteht eine Wahrscheinlichkeit von ca. 2 %, im Laufe des Lebens eine IFP zu erleiden (Wolf 1998).


Internationales Schema zur Einteilung der Fazialisparesen

Index

Kurzbeschreibung

Befund in Ruhe

Aktive Bewegung für

 

 

 

Stirn

Lidschluss

Mund

I

Normal

Normal

Normal

Normal

Normal

II

Leichte Parese
Schwäche/Synkinesie nur bei genauer Beobachtung erkennbar

Normal

Reduziert

Fast normal

Gering reduziert

III

Mäßige Parese
Offensichtliche Seitendifferenz, Synkinesie, Kontraktur

Normal

Noch vorhanden

Vollständig

Gering reduziert

IV

Mäßig-starke Parese
Entstellende Asymmetrie

Normal

Keine

Inkomplett

Asymmetrie

V

Starke Parese
Geringe Restbewegung

Asymmetrie

Keine

Inkomplett

Noch erkennbar

VI

Paralyse

Tonusverlust

Keine

Keine

Keine


 

Periphere oder zentrale Parese?

Die häufigste Form einer Fazialisparese ist die periphere idiopathische Fazialisparese, die sich jedoch meistens gut von der zentralen fazialen Parese abgrenzen läßt, schreibt Prof. Dr. med. Peter Schwenkreis in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2012).
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/eine-blickdiagnose-1562679


Klinische und elektrophysiologische Standardverfahren in der Diagnostik der akuten Fazialisparese (mit „nicht-offensichtlicher“ Ursache) (Wolf 1998)

  • HNO-Status (mit Parotis-Sonographie)
  • Neurologische und Neurootologische Routineprüfung
  • Audiometrie, Stapediusreflexbestimmung
  • Graduierung der Parese (komplett – inkomplett)
  • Bellsches Phänomen? Hornhautprotektion?
  • Lakrimationstest
  • Gustometrie
  • Elektromyographie (EMG)
  • Neuromyographie (NMG)
  • Transkranielle Magnetstimulation
  • Routinelabor: Kleines BB, BKS (Virusserologie, inklusive HIV, ggf. PCR und Borrelienserologie)
  • Radiologische Verfahren: Schüller, CT, NMR

Therapie (Madhok et al. 2009)

2x täglich 25 mg Prednisolon über 10 Tage hinweg

Prednisolon stellt eine wirksame Behandlung der IFP dar. Die Number-needed-to-treat (NNT), d. h. die Anzahl der Personen, die behandelt werden müssen, um bei einer zusätzlichen Person eine vollständige funktionelle Erholung des Fazialisnervs zu bewirken, betrug in der NIH-Studie nach 3 und 9 Monaten 6 bzw. 8 (Madhok et al. 2009)


Fallstricke in der Beurteilung der Gesichtsmuskulatur bei Kindern und Älteren

  • Bei Kindern kann der Lähmungsgrad z. B. aufgrund des guten Hautturgors und des straffen Unterhautfettgewebes leicht unterschätzt werden.
  • Bei älteren Patienten dagegen erscheint durch den progredienten Tonusverlust die Lähmung oft dramatischer als sie in Wirklichkeit ist. Scheinbare Bewegungen der gelähmten Gesichtshälfte sind möglicherweise von der Gegenseite fortgeleitet. Und ein inkompletter Lidschluss ist noch lange kein Beweis für eine Restfunktion des N. facialis, sondern kann passiv erfolgen durch die willkürliche Erschlaffung des M. levator palpebrae bzw. des Müllerschen Lidmuskels (Wolf 1998).

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