Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
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1.3.3 Anamnese, Anamnestik, Kontaktfragen, erste Sätze

Zusatzinfo

Klinische Anamnese

Überaus umfangreiche ärztliche Vorerhebungen für die Krankengeschichte des Patienten. Fast durchwegs an Kliniken und bei Spezialisten üblich, z.B.
- Familienanamnese
- eigene Anamnese ("Vorgeschichte")
- Regelanamnese
- soziale Anamnese
- Sexualanamnese
- Fremdanamnese
- jetzige (aktuelle) Anamnese
- proktolgische Anamnese
- Nahrungsmittelanamnese
- Medikamentenanamnese
- homöopathische Anamnese
- Genussmittel-und Suchtmittelanamnese
- u.v.a.m.


Zitate zur Klinischen Anamnese

"Eine gute Anamnese ist die halbe Diagnose" (Medizinerweisheit)
"Für die richtige Anamnese müssen die besten und erfahrensten Ärzte als gerade gut genug erscheinen" (Rudolf Gross 1969)
"Die Anamnese ist die anspruchsvollste Repräsentation der ärztlichen Kunst" (Fritz Hartmann 1965)

 

Tabelle: Die hohe Bedeutung der Anamnese für das diagnostische Ergebnis. 
Beachte: Unterschiedliches Krankengut in Allgemeinpraxis oder Fachpraxis, ferner Auslegung des Begriffes "Diagnose" als Vermutung oder subjektive Erfahrung.

Autor

Anamnese

Anamnese + Untersuchung

Anamnese + Untersuchung + technische Methoden

Bauer (1950)

55 %

75 %

95 %

Lauda (1958)

70 %

80-90 %

--

Hegglin (1969)

50 %

--

--

Fetscher (1974)

--

82 %

90 %

Seidl (1978)

--

77 %

--

Fries (o.J.)

--

80 %

--


Die "modernen" Ängste des Patienten vor schweren Krankheitsverläufen (Auswahl)

- Rinderwahnsinn (BSE)
- Vogelgrippe
- Zika-Virus
- Alzheimer-Demenz
- AIDS
- Krebs
- Pflegefall und Siechtum
- insulinpflichtiger Diabetes
- Blutgerinnsel
- Vergiftung durch Umweltnoxen (z.B. Amalgam/ FOTO)
- Knoten in der Brust
- Schlaganfall
- Impotenz
- FSME / Borreliose
- Herzinfarkt
- u.v.a.m.


Eher schon "ältere"(in der Laienwelt schon länger vohandene) Ängste können sein:
- Knochen-/Rippenbruch
- Lungenentzündung
- Rippenfellentzündung
- Blinddarmentzündung
- Hirnhautentzündung
- Nierenbeckenentzündung
- Blutvergiftung
- Wundstarrkrampf


"German Angst"

Das in angelsächsischen Ländern geflügelte Wort "German Angst" beschreibt eine unschöne Gefühlslage: ein Unwohlsein mit der Welt an sich und der persönlichen Situation im Besonderen sowie eine diffuse Furcht vor dem, was da noch kommen mag. Ein weiteres deutsches Wort hat es in den englischen Sprachgebrauch geschafft: "Weltschmerz".

Siehe dazu auch die Bemerkungen in "Mader-Fakten-Fälle-Fotos®" Kap.12.1.2 Angst- und Panikstörungen"


Kontaktfragen

Prinzip: Minimum an Fragetechnik - Maximum an Information.

Charakteristikum:
- Vom Arzt ausgehend
- Meist am Gesprächsbeginn
- Situativ und individuell gestellt
- Gezielt, problemorientiert, einfach,kurz und präzise
- In Erwartung einer klaren Antwort
- Primär nicht als Einstieg in das ärztliche Gespräch gedacht

Vorteil:
- Rasch
- Unverwechselbar
- "Dokumentionsecht"(authentisch)
- Basis für Langzeitbeobachtung
- Ausdruck des Ernstnehmens des Patienten

Keine Kontaktfrage: "Wie geht's ?" 

Für den Wiener Kliniker und Internisten Nikolaus J.v.Jagic (1875 - 1956) lauteten seine ersten 3 Kontaktfragen:
Wie heißen Sie ?
- Wie alt sind Sie ?
- Welche Beschwerden haben Sie ?


Für einen Allgemeinarzt könnten bestimmte Fragen zielführender sein,insbesondere bei Patienten, die dem Hausarzt schon länger bekannt sind:
Seit wann ? Wie lange ?
- Bei welcher Gelegenheit ? Zusammenhang mit ?
- Etwas ähnliches in der Umgebung (Arbeitsplatz, Kindergarten, Familie) ?
- Haben Sie Fieber ?
- Fühlen Sie sich schwer krank ?
- Können Sie Ihren Beruf ausüben ? zur Schule gehen ?
Bei krankem (Klein) Kind die Mutter fragen:
"Wie ist er/sie denn sonst ?"
- "Ist er/sie recht wehleidig ?"

Beachte:
Der Erste Satz ist zugleich auch der Erste Eindruck.

 

Erste Sätze

Der Hannoveraner Kliniker und Internist Fritz Hartmann, der in seiner Sprech-Stunde jahrelang Erste Sätze seiner Kranken wörtlich aufgeschrieben hatte, war überzeugt, daß in diesen spontan gesprochenen Sätzen das Wesentliche vom Kranken selbst bereits gesagt wird. Hartmann hält es für aufschlußreich, diese Sätze am Ende des Verlaufs, wenn eine abschließende Klassifizierung erfolgt ist und wenn die Behandlung eingeleitet wird, wieder zu lesen (Hartmann 1984).Zahlreiche Beispiele für Erste Sätze finden sich auf dieser Internetplattform "Fakten - Fälle - Fotos" Kap.1.8 

Beachte:
So informativ wie das erste Wort des Patienten sein kann, so wichtig kann aber auch das letzte Wort beim Hinausgehen sein („Ach, Herr Doktor, was ich übrigens noch sagen wollte ...“).


Fallbeispiel

Kasuistik 1.3.3-1 : "Die Kathi hält wirklich was aus"

Die Mutter über das von ihr begleitete 4-jährige Kind in der Abendsprechstunde (18 Uhr) : 
"Die Kathi hält wirklich was aus. Die ganze Nacht hat sie gestern geweint. Vielleicht ist es eine Lungenentzündung ? Oder nur bloßes Bauchweh ? Ich bin mit den Nerven schon ganz fertig. Aber vielleicht ist es nur Scharlach. Die Zunge ist so komisch rot."
Fragen :
- Welchen Eindruck macht dieser Satz auf Sie (2 Stichwörter) ?
- Welche Kontaktfragen würden Sie der Mutter stellen ?

Amalgam- Angst
Titelei einer Boulevardzeitung 2017

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