Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
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15.9.5 Fehlervermeidung

Zusatzinfo

Diagnose- und Behandlungsfehlervorwürfe

In einer Auswertung der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der ÄK Nordrhein der Jahre 2010 - 2014 von 7.753 abgeschlossenen Verfahren betrug der Anteil der betroffenen Hausärzte 5%. In 398 Verfahren waren 411 Hausärzte von einem Antrag betroffen. Dies entspricht einem Anteil von 14 % der insgesamt 2.899 in Anspruch genommenen niedergelassenen Ärzte. Hausärzte (Allgemeinärzte, Praktische Ärzte, Hausarztinternisten) standen damit nach den Orthopäden (516) an zweiter Stelle der Fachgebietsstatistik der Niedergelassenen. Bei drei Viertel der betroffenen Hausärzte wurde die hausärztliche Tätigkeit in der Praxis gerügt; 90 von 314 Vorwürfen waren berechtigt, darunter 46 von 172 Diagnosevorwürfen und 44 von 142 sonstigen Behandlungsfehlervorwürfen (Jörgenshaus et al 2016).

Mit einem Anteil von 57 % wurde der Hausarztgruppe überproportional eine fehlerhafte Diagnostik (Diagnosevorwurf) vorgeworfen. Das verwundert nicht, ist doch der Hausarzt als "Lotse" derjenige, der den Patienten oft an Spezialisten zur vertieften Diagnostik überweist und damit - für den Patienten nicht immer erkennbar - der "Erste", der die diagnostische Einordnung vornimmt. Eine Fehlerhäufung konnte in dieser Untersuchung nicht festgestellt werden. Allerdings waren die Fehlerquoten im Notdienst und bei  Hausbesuch deutlich erhöht(Jörgenshaus et al 2016).

Rasch steht dann der Vorwurf der sog. Fehldiagnose im Raum und schafft es manchmal bis auf die Titelseite der Presse (siehe FOTO).

Die häufigsten Erkrankungen - ex post gesehen -, für die Hausärzte in 389 Verfahren in Anspruch genommen worden sind, waren mit einem Anteil von 4%
- akutes Koronarsyndrom/ Herzinfarkt (9 von 14 Fällen begründet)
- akute Appendizitis (7 von 15 Fällen begründet)
- Rückenschmerzen (5 von 14 Fällen begründet)
- Bronchialkarzinom (2 von 13 Fällen begründet)
- Herzrhythmusstörungen /3 von 11 Fällen begründet)
- Kolonkarzinom (2 von 11 Fällen begründet).


Die häufigsten Diagnosevorwürfe betrafen:
- Erkennung einer Tumorerkrankung (19 von 62 Fällen begründet)
- eines akuten Abdomens (12 von 24 Fällen begründet)
- eines akuten Koronarsyndroms/ Herzinfarkts (9 von 16 Fällen begründet)
- einer zerebralen Symptomatik (2 von 14 Fällen begründet).


Bei den sonstigen Behandlungsfehlern waren zu verzeichnen:
- die Medikation (19 von 54 Fällen begründet)
- Injektionen (13 von 27 Fällen begründet)
- postoperative Nachbehandlung (10 unbegründete Fälle).

Häufigste festgestellte Einzelfehler der 411 betroffenen Hausärzte waren mit einem Anteil von je 10 % 43 mal je Anamnese und Untersuchung, 40 mal Labor-u

Mit einem Anteil von 57 % wurde der Hausarztgruppe überproportional eine fehlerhafte Diagnostik (Diagnosevorwurf) vorgeworfen. Das verwundert nicht, ist doch der Hausarzt als "Lotse" derjenige, der den Patienten oft an Spezialisten zur vertieften Diagnostik überweist und damit - für den Patienten nicht immer erkennbar - der "Erste", der die diagnostische Einordnung vornimmt. Eine Fehlerhäufung konnte in dieser Untersuchung nicht festgestellt werden. Allerdings waren die Fehlerquoten im Notdienst und bei  Hausbesuch deutlich erhöht(Jörgenshaus et al 2016).


Beachte:
Mit 411 gutachterlichen Überprüfungen der Vorwürfe gegen Hausärzte in 5 Abschlussjahren ist die Anzahl gemessen an der Vielzahl von hausärztlichen Arzt- Patienten- Kontakten im selben Zeitraum verschwindend gering (Jörgenshaus et al 2016)


Diagnosefehler

Unvertretbare Fehlinterpretation: Verkennen oder unzureichende Bewertung von Krankheitssymptomen oder ungenügende Abklärung der sog. Verdachtsdiagnose oder fehlende Kontrollen und Diffenzialdiagnostik bei Nichtansprechen der Therapie (=einfacher Behandlungsfehler).
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1765644


Schlichtungsstellen: Diagnosefehler bei Hausärzten

"Es gibt einige Fehler, die für die Allgemeinmedizin typisch sind", schreibt Prof. Dr. med. Gisela Fischer, langjährige allgemeinärztliche Gutachterin in der Schlichtungsstelle der Norddeutschen Ärztekammern, in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017).
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/schlichtungsstellen-hausaerzte-machen-eher-bei-der-diagnose-fehler-1834607


Fulminanter Irrtum

Deutung der Erkrankung in nicht nachvollziehbarer Weise oder elementarer Befunderhebungsfehler (=grober Behandlungsfehler), d.h. ein aus objektiver medizinischer Sicht unverständliches diagnostisches Vorgehen. das schlechterdings nicht vorkommen darf, mit der Folge der Beweislastumkehr.


Sonstiger Behandlungsfehler/ Therapiefehler

Nicht indizierter diagnostischer oder therapeutischer Eingriff oder eine entsprechende Untersuchung, der/ die nicht indiziert war oder bei dem/ der die nach den jeweiligen Umständen erforderliche Sorgfalt ausser Acht gelassen wurde; auch das Unterlassen eines nach diesem Maßstab medizinisch gebotenen Eingriffs oder einer Untersuchung.


Behandlungsfehler

Ein Grund für ärztliche Fehlleistungen sei der stetig wachsende Behandlungsdruck, berichtet Redakteur Hans Glatzl in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt 2016 über die Vorstellung des Behandlungsfehlerberichts durch die BÄK.
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1764157


Fehlermanagement

Dr.med. Alfred Haug, Facharzt für Allgemeinmedizin und Referent auf dem Seminarkongress Norddeutscher Hausärzte in Lüneburg, beschreibt in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt (2017) Fünf Schritte zum erfolgreichen Fehlermanagement, als Teil des Risikomanagements.
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/fehlermanagement-hurra-ein-fehler-ist-passiert-1830651
http://www.hausaerzteverband-niedersachsen.de/818-0-33-Seminarkongress-Norddeutscher-Hausaerzte.html



 


Fallbeispiel

Kasuistik 15.9.5-1: Hausarzt untersuchte nicht den PSA-Wert

In einer umfangreichen Auswertung der Gutachterkommission ÄK Nordrhein fanden sich allein 5 jeweils begründete Fälle mit Befunderhebungsfehlern bei einem Prostatakarzinom: Dabei wurde 3x  der Aufforderung eines Urologen an den Hausarzt, einen PSA-Wert (2x bei PSA > unter 4 mg/mm und 1x nach negativer Stanze bei PSA-Wert von 6,52 mg/mm) zu kontrollieren, nicht nachgekommen und 1x bei erhöhtem PSA von 4,51 mg/mm eine Kontrolle trotz jährlicher Prostata-Sonografien erst nach 10 Jahren (PSA 187,2 mg/mm) wiederholt. Zudem wurde in allen Fällen eine Sicherungsaufklärung über die nötige Kontrolle bzw. 1x das Aufsuchen eines Urologen bei pathologischem PSA von 10,8 mg/mm versäumt. Für die Aufdeckung der Prostatakarzinome erst in fortgeschrittenem Stadium hatten die 5 Hausärzte jeweils zu haften.

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016))

Kasuistik 15.9.5-2: Diagnoseverschleppung bei Bronchialkarzinom

Bei 2 Patienten in einer umfangreichen Auswertung von Behandlungsfehlervorwürfen  wurde bei 2 Patienten ein Bronchialkarzinom nicht erkannt. Trotz länger bestehendem Husten ohne Besserung unter Antibiotikagabe wurde eine Röntgenuntersuchung des Thorax unterlassen (Befunderhebungsfehler). Die Diagnoseverschleppung um 4 Wochen bzw. 7 Monate hätte am Verlauf der jeweils bereits fortgeschrittenen Tumorerkrankung allerdings nichts geändert.

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016))

Kasuistik 15.9.5-3: Akutes Abdomen verkannt

In einer großen Auswertung von Behandlungsfehlervorwürfen gegen hausärztlich tätige Ärzte fanden sich bei 24 Verfahren mit akutem Abdomen bei 7 von 15 Hausärzten Fehler bei der Erkennung einer Appendizitis. Mehr als die Hälfte der 24 Patienten (13) hatten den Arzt im KV-Notdienst konsultiert; verkannt wurden hier 5 von 8 Appendizitiden, 2 Harnleiterkoliken durch Steine, 1 inkarzerierte Nabelhernie und 1 Dünndarmileus. Beispielsweise wurde es vom KV-Notdienst in den frühen Morgenstunden fehlerhaft unterlassen, einen 34-jährigen, der telefonisch sich über seit gestern bestehende starke Magenkrämpfe und nunmehr Oberbauchbeschwerden und Übelkeit beklagte, persönlich in Augenschein zu nehmen und zu untersuchen. Stattdessen wurde ihm empfohlen, sich Buscopan(R) und Iberogast(R) zu besorgen. Wenige Stunden später wurde der Patient über den Hausarzt mit akuter Appendizitis eingewiesen und sofort operiert, so dass aus der Verzögerung außer Schmerzen und Verunsicherung kein weiterer Gesundheitsschaden entstanden ist. 

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016))

Kasuistik 15.9.5-4: 74-jähriger mit Oberbauchschmerzen, Übelkeit/Erbrechen: Hausbesuch abgelehnt

Die Gutachterstelle die Gutachterkommission der ÄK berichtet in einer großen Auswertung über Behandlungsfehlervorwürfe gegen Hausärzte von einem Fall: Ein 74-jähriger bat um einen Hausbesuch; er klagte über Oberbauchschmerzen, Übelkeit/Erbrechen, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden mit Schwindel seit einer Woche mit Verschlechterungstendenz und Zustand nach Treppensturz. Die Urlaubsvertretung des Hausarztes lehnte einen Hausbesuch ab. Dank der Angehörigen erfolgte 2 Stunden später eine Notarztuntersuchung mit Einweisung des exsikkierten niereninsuffizienten Patienten im reduzierten Allgemeinzustand mit akuter Cholecystitis.

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016))

Kasuistik 15.9.5-5: Der verkannte Herzinfarkt

Die Gutachterkommission berichtet in einer großen Untersuchung über ausgewertete Behandlungsfehlervorwürfe gegen Hausärzte: In 9 von 16 Verfahren war der Vorwurf, ein akutes Koronarsyndrom/einen Herzinfarkt verkannt zu haben, begründet (Fehlerquote 56 %). Beispielsweise wurde bei einem 45-Jährigen mit seit einer Woche neu aufgetretenen „leichten linksthorakalen Stichen“ bei spärlicher Anamneseerhebung bei der ersten und zweiten Vorstellung nach 5 Tagen bei „Beschwerdezunahme“ zwar jeweils ein EKG abgeleitet, aber ein Belastungs-EKG erst für 8 Tage später vorgesehen. Dieses wurde vom Patienten abgesagt, da er sich „zu schwach fühlte“; das fand erst nach einer Woche statt. Ohne vorherigen Arztkontakt zeigte das Ruhe-EKG einen abgelaufenen, ausgedehnten Vorderwandspitzeninfarkt im Zwischenstadium, der vom Arzt in Ermangelung einer Inaugenscheinnahme des EKGs nicht erkannt wurde. Grob fehlerhaft erfolgte im Anschluss ein Belastungs-EKG bis 150 Watt und fehlerhaft ohne Arzt-Anwesenheit. Auch der Rat an den infarktgeschädigten Patienten, in eigenem Pkw eine Klinik aufzusuchen, statt ihn im RTW mit Arztbegleitung dorthin transportieren zu lassen, war unzureichend (mehrfaches Organisationsverschulden).

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016)

Kasuistik 15.9.5-6 Kein Belastungs-EKG bei 80-jährigem mit Angina pectoris

Zwischen Januar 2007 und August 2008 wurden bei einem 80-jährigen mit rezidivierenden Angina-pectoris-Beschwerden, Hypercholesterinämie und arterieller Hypertonie 26 mal ein Ruhe-EKG mit Echokardiografie und 15 mal eine Lungenfunktion sowie regelmäßig eine Abdomensonografie, aber behandlungsfehlerhaft zu keinem Zeitpunkt ein Belastungs-EKG durchgeführt oder eine weiter führende kardiologische Diagnostik veranlasst, so dass die hochgradige Eingefäßerkrankung erst erkannt und behandelt wurde, als der Patient im Januar 2009 bei unklarem Lebertumor von 8x 11 cm zur PE eingewiesen wurde. Die Gutachterkommission der ÄK Nordrhein stellte in ihrer umfangreichen Zusammenstellung „Behandlungsfehlervorwürfe gegen hausärztlich tätige Ärzte“ fest, dass in diesem Fall „aus zu erduldender Innerdiagnostik kein Gesundheitsschaden“ vorlag.

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016))

Kasuistik 15.9.5-7: „3 Wochen rezidivierendes Fieber, leises Systolikum, sonst o.B.“

Bei einem 66-jährigen Patienten mit seit 3 Wochen rez. Fieber mit Abgeschlagenheit und Husten wird nach Labor und Röntgenthorax mit deutlicher Empfehlung einer Computertomografie und eines radiologischen Konsils über 4 Wochen hinweg eine akute Mitralklappenendokarditis durch Streptokokken verkannt, obwohl deutlich erhöhte Entzündungswerte (CRP von 46,6 mg/l), eine neu aufgetretene Herzvergrößerung, ein leichter beidseitiger Pleuralerguss und weiterhin Fieberschübe abends vorlagen. Die vom Leitenden  Arzt erteilte Aufforderung, einen Kardiologen aufzusuchen, wird vom Patient bestritten. Nach Überweisung wurden eine Darmspiegelung und eine Bronchoskopie durchgeführt und ein Antibiotikum, ein Kortikoidpräparat, ein Betablocker und ein Diuretikum verabreicht. Die Auskultation eines „leisen Systolikums, sonst o.B.“ bei einem nicht angeforderten Hausbesuch am 17. Tag hatte lt. Patient nicht stattgefunden. 5 Tage später ist der CRP-Wert unter Antibiotika mit 35 mg/l noch erhöht; ein aus technischen Gründen nicht bewertbares EKG wird nicht wiederholt. Bei Zustandsverschlechterung weist sich der Patient am 29. Tag selbst ein. Die Gutachterkommission der ÄK Nordrhein berichtet, dass „die Schwere der Klappenzerstörung und die Zeitdauer der Beschwerden dem Arzt als Gesundheitsschadens zugerechnet werden.“

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016))

Kasuistik 15.9.5-8: Behandlungsfehler bei Diabetes mellitus Typ 2

Die Gutachterkommission der ÄK Nordrhein berichtet in ihrer umfangreichen Erhebung „Behandlungsvorwürfe gegen hausärztlich tätige Ärzte“ in Bezug auf die Betreuung von Patienten mit Diabetes mellitus: 9 mal wurden Behandlungsfehlervorwürfe erhoben, die 6 mal begründet waren, darunter der Fall eines 51-Jährigen mit DM T2, der seit 6 Jahren von seinem Hausarzt vierteljährlich im DMP betreut wurde. Der Betroffene wirft seinem Hausarzt fehlerhafte Behandlung einer geröteten Zehe vor, die innerhalb einer Woche unter Lokaltherapie und Gabe eines Antibiotikums gangränös wurde und bei festgestellten Osteolysen amputiert werden musste. Die Lokalmaßnahmen waren in diesem kurzen Zeitraum zwar sachgerecht erfolgt, allerdings war die Führung des Patienten trotz des DMP mit einem HbA1c von über 10 Prozent über die Jahre fehlerhaft. Zu keiner Zeit sind Fußkontrollen, Absprachen von Zielen zur Verbesserung der Diabeteseinstellung und eine Überweisung in eine diabetologische Schwerpunktpraxis, wie sie bei Nichterreichen von Zielvorgaben gefordert wird, oder die Compliance des Patienten sowie eine Sicherungsaufklärung an ihn über die schlechten Werte dokumentiert. Wenn der Hausarzt das Fehlschlagen seiner Bemühungen in der Zusammenarbeit nicht dokumentiert, muss haftungsrechtlich davon ausgegangen werden, dass diese Bemühungen nicht stattgefunden haben und dadurch die diabetische Gangrän entstanden ist.

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016))

Kasuistik 15.9.5-9: Patient mit Hörsturz nicht eingewiesen

Die Gutachterkommission der ÄK Nordrhein berichtet von folgendem Fall: Eine 74-jährige Patientin mit Schwäche seit einigen Tagen, bekannter Anämie mit Eiseneinnahme  wurde bei nicht erreichbarem Hausarzt vom hausärztlichen KV-Notdienst im Pflegeheim aufgesucht; hier wurde eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr anempfohlen. Eine Einweisung erfolgte nicht, obwohl die Patientin mit reduziertem Allgemeinzustand unter einer Anämie von 57 g/dl mit Teerstuhl bei Sickerblutung im Dünndarm litt. Auf Initiative der Angehörigen wurde die Patientin noch am gleichen Tag ins Krankenhaus eingewiesen und dort operativ behandelt.

(Quelle: Jörgenshaus E, Rosenberger R, Weber B (2016))

Kasuistik 15.9.5-10: Wunschrezept - Appendektomie im Urlaub

Dres.med. Fink und Kamenski moderierten in Bad Orb die "Braun-Gruppe Mein Fall", den traditionsreichen Erfahrungsaustausch unter Allgemeinärzten. ZeitdruckRoutine und fordernde Patienten waren auch 2017 wieder Hauptursache von Fehlerquellen, wie die Zeitschrift Der Allgemeinarzt schreibt.
Ein 50-jähriger Patient kommt in die Freitagabend-Sprechstunde auf den letzten Drücker. Er wünscht sich Ciprofloxacin, das ihm wiederholt geholfen habe, wenn er – wie auch diesmal – Brennen beim Wasserlassen verspürt. Harn konnte er nicht abgeben. Es eilt, anderntags ist eine Flugreise geplant. Auf eine Untersuchung wird verzichtet. Eine Woche später muss der Mann in Spanien notoperiert werden wegen akuter Appendizitis. Ein nagendes Gefühl bleibt: Hätte es Anzeichen gegeben, die sich mit einer abdominellen Palpation hätten aufdecken lassen?

Kommentar:

https://www.allgemeinarzt-online.de/a/erfahrungsaustausch-unter-allgemeinaerzten-zeitdruck-routine-und-fordernde-patienten-1854010

Kasuistik 15.9.5-11: Patientin mit Angststörung: faustgroßer Hirntumor

Wie sollen wir uns verhalten, wenn ein Patient überzeugt davon ist, an einer bestimmten Krankheit zu leiden, die uns aber unwahrscheinlich erscheint? Bei Praxisübernahme findet sich in der Kartei der 55-jährigen Patientin u. a. der Eintrag: "seit vielen Jahren in psychiatrischer Behandlung wegen Angststörung." Nun klagt sie über kurzzeitige Sehprobleme bei Computerarbeit. Kurz darauf kommt es zu einem Notarzteinsatz wegen SchwindelKribbeln am ganzen Körper. Die Symptome werden einer Panikattacke zugeordnet. Atosil®-Tropfen sollen bei solchen Zuständen in Zukunft helfen. Als die Patientin erlebt, dass eine Freundin an einer Lungenembolie verstirbt, glaubt sie selbst tödlich erkrankt zu sein. Schließlich klagt sie auch über Kopfschmerzen und meint: "Ich habe bestimmt einen Hirntumor." Tatsächlich deckt das MRT ein faustgroßes Glioblastom auf.

Kommentar:

Angstpatienten können praktisch jedes neurologische Symptom in ihrer Angst produzieren, berichtete ein psychotherapeutisch tätiger Kollege. Aber es kann tatsächlich ein somatischer Befund dahinterstecken. Hier gilt es abzuwägen zwischen Überdiagnostik, die zu somatischer Fixierung führen könnte, und berechtigter Wachsamkeit, insbesondere bei ungewöhnlichen oder eigenartigen Symptomen. Die bei Hirntumoren in Lehrbüchern erwähnte Wesensveränderung ist oft schwer zu erkennen, so die Erfahrung einiger Kollegen. Hier könnte eine Anamnese mit Angehörigen weiterhelfen. Bei einem Patienten, der nach Bagatelltrauma ein subdurales Hämatom entwickelte, half z. B. der Hinweis von der Ehefrau, dass er plötzlich Wortfindungsstörungen hatte, auf die richtige Fährte. Bei einem anderen Patienten führten schließlich Sprachstörungen zur Diagnose eines frontalen Meningeoms. Retrospektiv gesehen seien auch leichte Wesensveränderungen vorhanden gewesen, die der Kollege aber eher als menopausal bedingt gedeutet hatte. Die Patientin war übrigens seine Ehefrau, berichtete der Kollege leicht verschämt.
https://www.allgemeinarzt-online.de/a/erfahrungsaustausch-unter-allgemeinaerzten-zeitdruck-routine-und-fordernde-patienten-1854010

-Fehldiagnose- als Vorwurf auf der Titelseite des Regionalblattes
-Fehldiagnose- als Vorwurf auf der Titelseite des Regionalblattes

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