Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
Onlineinhalte zum Buch

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

15.1.6 Freiheitsentziehende Maßnahmen

Zusatzinfo

Wissenswertes

Aktuelle Studien belegen, dass freiheitsentziehende Maßnahmen sehr häufig in Zusammenhang mit der Pflege von Menschen mit Demenz zu beobachten sind (z.B. Weglaufen, Sturzneigung oder herausforderndem Verhalten).

Freiheitsentziehende Maßnahmen verursachen nachgewiesene Maßen körperliche und psychische Schäden; Zu den häufigen körperlichen Schäden zählen Hautunterblutungen und Druckstellen bis hin zum Dekubitus. Der durch Fixierung bedingte Bewegungsmangel führt häufig zu Kontrkaturen, Harn- und/oder Stuhlinkontinenz, wenn der Toilettengang „verlernt“ wird, zu Obstipation, Mangelernährung durch Inappetenz bei Bewegungsmangel; Die Patienten trocknen aus, wenn sie nicht mehr an ihr Trinkgefäß heran kommen.
Häufige psychische Reaktionen auf freiheitsentziehende Maßnahmen sind: Aggression, sozialer Rückzug bis hin zu Depression sowie Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit oder Orientierungsstörungen.

Definition
Freiheitsentziehende Maßnahmen liegen vor, wenn eine Person gegen ihren natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen oder auf andere Weise in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtig wird und sie diese Beeinträchtigung nicht ohne fremde Hilfe überwinden kann.

(Quelle: Grundke S, Klement A (2015) Pflegebedürftigkeit. Beratung - Betreuung - Zusammenarbeit. Bd 5 der Reihe Praktische Geriatrie. Der ältere Patient beim Hausarzt, Hrsg Landendörfer P, Mader FH. Kirchheim Verlag, Mainz)
 

Beachte wichtige Ausführungen zu "freiheitsentziehenden Maßnahmen" finden sich sowohl im Buch "Mader u.Riedl: Allgemeinmedizin und Praxis" wie auch auf der Internetplattform "Mader: Fakten - Fälle - Fotos" im Kap.12.5.2 "Verwirrtheit"


Freiheitsentziehende Maßnahmen liegen vor, wenn eine Person gegen ihren natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen oder auf andere Weise in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt wird und sie diese Beeinträchtigung nicht ohne fremde Hilfe überwinden kann.

Beispiele:

- mechanische Fixierungsmaßnahmen, die nicht selbst entfernt oder kontrolliert werden können, die Bewegungsfreiheit einschränken (z.B. Feststellen der Rollstuhlbremsen)

- Verhinderung des Verlassens des Bettes durch beidseitig durchgehende Bettgitter;

- Fixiergurte;

- Einsperren durch Verschließen der Türen/Schließvorrichtungen;

- Vorenthalten der Mobilitätshilfen (Rollator, Gehhilfen) sowie

- Verabreichung von Medikamenten zum Zweck der Einschränkung der Fortbewegungsmöglichkeit oder um das Verlassen der Einrichtung zu verhindern (OLG HAMM BtPrax 1997, 162).

 

Freiheitsentziehende Maßnahmen sind in Pflegeheimen nur erlaubt:

1. Bei „informierter Zustimmung“ des Betroffenen (Einwilligungsfähigkeit vorausgesetzt);

2. Bei „rechtfertigendem Notstand“ (ohne vorherige Genehmigung), um Selbsttötung oder erhebliche Gesundheitsschädigung abzuwenden (§ 1906 IV BGB); die Genehmigung des Vormundschaftgerichtes muss innerhalb von 48 h nachgeholt (formloser Antrag).

3. Bei vorheriger Genehmigung durch das Vormundschaftgericht.

 

Fixierung im Pflegeheim

Der Geriater und Psychiater Prof. Dr.med. Pantel (Arbeitsbereich Altersmedizin am Institut für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt) behandelt in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt 2016 das ethische aber auch rechtliche Dilemma freiheitsentziehender Maßnahmen.
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1790300


Verwirrtheit

Starke Verwirrtheit mit Neigung zum Fortlaufen ist nicht selten Anlass für Überlegungen zu Freiheitentziehenden Maßnahmen. Zu Verwirrtheit vgl. Kap. 12.5.2.
http://www.fakten-faelle-fotos.de/index.php?content=2&ivz_id=366&anker_nr=277

 

Patienten, die wegen Verwirrtheit bzw. Unruhezuständen fixiert werden, müssen unbedingt überwacht werden, fordert der Bonner Rechtsmediziner Prof. Dr. med. Kernbach- Wighton in der Zeitschrift Der Allgemeinarzt 2016 im Zusammenhang mit einer Kasuistik "Tödliche Fixierung".
http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1777856


Fallbeispiel

Kasuistik 15.1.6-1: „Mein Mann läuft immer weg“

Herr B. kann sich nur schwer an die neue Umgebung im Pflegeheim gewöhnen: Nachts unruhig, droht aus dem Bett zu fallen; tagsüber will er unablässig die Station verlassen, um den Weg nach Hause zu suchen. Erst kürzlich ist er im angrenzenden Park der Einrichtung hilflos gefunden worden. Voller Unverständnis ruft die Ehefrau beim Hausarzt an, damit er das Pflegepersonal anweist, nachts beide Bettgitter hochzuziehen. Eine gerichtliche Genehmigung liegt nicht vor: „Frau Doktor, bitte schreiben Sie meinem Mann etwas auf, damit er nicht mehr weglaufen kann. Ich habe Angst, dass er stürzt.“

Kommentar:

In der Regel leitet der vom Vormundschaftsgericht bestellte Betreuer des Patienten das gerichtliche Genehmigungsverfahren ein. Das Gericht genehmigt dann die jeweilige Entscheidung des Betreuers (nach § 1906 Abs. 2 BGB), ob und für welchen Zeitraum die Bettgitter beidseitig hochgezogen oder Fixiergurte angelegt werden dürfen.

Beachte: Psychische Reaktionen auf freiheitsentziehende Maßnahmen können sein: Aggression, sozialer Rückzug bis hin zu Depression sowie Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit oder Orientierungsstörungen.

(Quelle: Susanne Grundke u. Andreas Klement (2015) Pflegebedürftigkeit. Beratung-Betreuung-Zusammenarbeit)
http://www.kirchheim-shop.de/aerzte/ALLGEMEINMEDIZIN/Buecher/Pflegebeduerftigkeit.html

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Copyright 2014-2024 • Prof. Dr. med. Frank H. Mader